Deutsch arrow Berichte arrow Schweiz 2

Schweiz 2   -   03. Juli 2007 - 21. August 2007


Wie die Elefanten im Porzellanladen
 
Schweiz, 3. Juli bis 27. Juli 2007 
 
Strecken: 1. Aesch – Olten – Herzogenbuchsee – Wabern – Kirchenthurnen – Bern – Rizenbach – Laupen - Ittigen – Aesch
2. Aesch – Olten – Seon – Schenkon – Sempach - Huttwil – Herzogenbuchsee – Olten - Aesch

Nach einer Stunde Wartezeit beim Zoll und dem Abladen in Pratteln war exakt 16.45 Uhr als wir bei den Metallwerken in Dornach anhielten. Von dort aus spazierten wir zehn Minuten der Birs entlang, über das Birsbrückli und zwei Minuten später läuteten wir an der Türe von Karins Schwester Sibylle. Bis auf eine geheime Schlüsselperson, die als einzige eingeweiht war, dass wir in die Schweiz kommen würden - wusste ja niemand, dass wir hier waren und so waren wir ziemlich nervös, als wir die Klingel drückten. Es dauerte eine geraume Zeit bis die Türe geöffnet wurde. Sibylle schaute uns an, als wären wir ein Geist. „Sind ihr das? Sind ihr das würklich?“ Diara, Karins Nichte, die wir nun endlich kennen lernten, begann zu lachen und mit den Händen zu winken und Sibylle fasste uns immer wieder an, ob wir das wirklich seien. Später meinte sie nur: „Wenn du dir etwas so fest wünschst und dann steht es vor der Türe, dann glaubst du, du spinnst.“ 
 
Noch am selben Tag überraschten wir Karins Eltern und Karins älteste Schwester Susanne. Auch sie meinte noch am nächsten Tag, ob wir ein Phantom gewesen seien und rief die Mutter an, ob wir tatsächlich hier seien.
 

Hauenstein

Natürlich musste auch Familie Zimmermann überrascht werden. So packten wir schon am darauf folgenden Tag geborgte Velotaschen und pedalten los, Karin auf ihrem Halbrenner und Sem auf dem geborgten Tourenrad von Kurt, in Richtung Olten. Debora, Sems Schwester, die geheime Schlüsselperson, verbrachte den Nachmittag bei Sems Mutter, damit sie ja zuhause war.
 
Die Kälte in dieser ersten Juliwoche war zum Schlottern. Bei der Abfahrt vom Hauenstein froren uns fast die Finger ab und unter leichtem Regen kurvten wir in den Meierhof ein. Beim Klingeln hüpfte uns Debora entgegen. Sems Mutter kam zur Türe und schaute uns nur an. Man erkannte nicht, was in ihr vorging.


Doch dann fiel sie Sem um den Hals, und ja – beide hatten ein bisschen feuchte Augen. Sofort richtete sie uns ein Bett, gab uns den Sack mit unseren „letzten Kleidern“ und verordnete uns Finken. Leider musste sie dann auch schon zur Nachtwache.

 
An den drauffolgenden Tagen überraschten wir weitere Geschwister von Sem, deren sechs er hat. Bei Mirjam, die bis abends um 23 Uhr am Arbeiten war, legten wir uns in ihr Bett. Sie schlafe eh auf dem Sofa, meinte ihr „jetzt-Ehemann“ Andreas. Am Morgen, als Mirjam neue Kleider holen wollte, traf sie fast der Schlag, als wir in ihrem Bett lagen.
 
Noch am selben Tag hatten wir in Wabern etwas Geheimes vor, einen Termin, später mehr davon… - denn es handelt sich beim Geheimnis um was ganz anderes. So war’s nicht mehr weit nach Kirchenthurnen, wo wir abends Daniel, Sems ältester Bruder, überraschten. Auch dort freuten sie sich sehr über unseren Besuch und Thabea (3 Jahre) meinte: „Jetzt läbt mi Götti nüm im Computer, jetzt isch är würklich do!“
 
Durch eine Info von Debora wussten wir, dass am Samstag, 7. Juli 2007 ein Spielabend bei Rebekka stieg. Da wollten wir natürlich dabei sein. Punkt sieben Uhr läuteten wir an der Türe. Rebekka meinte natürlich, dass die Mitspieler Tatjana – übrigens ihre Trauzeugin – und Jan ankamen, aber wir waren es. Sie stockte „Nei, Debi lueg wär da isch.“ Debora war ja aber eingeweiht und hatte uns ja eh schon gesehen, so winkte sie nur ganz lässig und rief: „Hallo Sem, hallo Karin.“ Ja, der Abend wurde lustig und lange und wir spielten kein einziges Spiel. So blieben wir gleich noch den Sonntag und eine zweite Nacht im Hause Stübi-Zimmermann und hatten somit auch richtig viel Zeit Anina Diara, Sem’s jüngste Nichte, zu geniessen. .

Überraschung - Rebä u Tinu besucht


Am Montagmorgen brachen wir auf in Richtung Tentlingen, wo die älteste Schwester von Sem, Andrea mit ihrer Familie wohnt. In Laupen jedoch änderten wir unsere Route, da wir dank der guten alten Einrichtung einer Telefonkabine einen Termin in Basel für den Mittwochmorgen bekamen. Doch wo sollten wir bei diesem unfreundlichen, kalten Wetter auch nur übernachten. Klar hatten wir unsere Biwaksäcke dabei, doch brr – gab es da nicht eine andere Lösung? Benjamin wohnte doch seit neustem in Ittigen. Und schon läuteten wir an seiner Wohnung, denn wir wollten ihn ja eh auch überraschen - und es wurde uns geöffnet. Er staunte nicht schlecht und wir verbrachten einen schönen Abend bei ihm, seiner reizenden Freundin Katrin und ihren Kindern Tim und Leonie. Irgendwann fragten sie uns, wo wir denn übernachten würden. „Hm“, meinte Sem und schaute mich an. Auch Benjamin und Katrin schauten sich an und fanden schnell heraus, dass wir ganz gerne bleiben würden. So campten wir in ihrem Wohnzimmer.
 
Schon am nächsten Abend waren wir, nach 95 km pedalen auf seriösen Schweizerstrassen, zurück in Aesch, wo uns erneut Karins Schwester Sibylle und ihr Ehemann Thomas aufnahmen. Von dort aus unternahmen wir in den kommenden Tagen einige organisatorische Reisen in der Region Basel, eine tiefer in die Schweiz und eine führte uns gar nach Deutschland.
 

 
In den 427 Tagen Unterwegs-sein, in all den unterschiedlichen Ländern die wir besuchten, hatten wir natürlich immer eine klare Erinnerung darüber, wie es ist in der Schweiz. Doch nun waren die ersten Tage in der Schweiz schon ziemlich komisch. Kaum waren wir in unserer Heimat angekommen, fühlten, rochen und sahen wir, wie es „wirklich“ war. Die Luft war so kühl und klar, es roch nach Tannenwald und die Blüten der Bäume, auch die Blätter, waren so klein. Dieses Üppige von Südostasien war weg, wie auch die hohe Luftfeuchtigkeit. Wir brauchten einige Tage um uns wieder an diese Natur zu gewöhnen. Aber nicht nur dies war vergessen. Als wir bei Karin’s Eltern zum ersten Mal wieder an einem schweizerischen Tisch zu essen bekamen, vergassen wir prompt, dass man nicht gleich reinschaufelt, sobald man den Teller mit dem Essen vor einem hat, sondern dass man anständig wartet, sich ein „En Guete“ wünscht und erst dann mit dem Essen beginnt. Vor dem Postomat wurden wir gleich angeschnauzt, da wir mal einfach hin spazierten und uns nicht sofort hinter die schon anstehende Dame stellten. „Ich bi denn z’erscht do gsi!“ schnauzte die erzürnte Frau. Beim Bezahlen der Velovignette besass Karin nur einen Fünfliber, doch dies war 30 Rappen zu wenig. Kurzum gab sie der Frau hinter dem Schalter zu verstehen, dass sie das restliche Geld holen gehe und rannte raus zu Sem. Unter bösen Blicken der anderen umstehenden Kunden kam sie dann zurück und schob der verblüfft drein schauenden Dame das restliche Geld hinüber. Wer hat denn hier schon soviel Zeit zu warten, bis eine Kundin sich fehlendes Geld beschafft… Ups, wir benahmen uns tatsächlich wie die Elefanten im Porzellanladen… 14 Monate reisen verändern halt schon einiges – vor allem Erinnerungen, wie es ist – oder war, aber man braucht nicht lange und wir benahmen uns schnell wieder schweizerisch. Nur der erste Besuch in einem Migros war noch ein grosser Schock. Wir liefen umher, trauten unseren Augen nicht, dass alles so teuer ist und kauften schlussendlich nur das billigste Brot mit einer Budget-Schokolade. Wir gaben soeben ein Vermögen aus für unser Mittagessen, denn das Brot und die Schokolade mussten für dies ausreichen.
 
Nun waren wir schon gute 3 Wochen in der Schweiz. So war es an der Zeit noch die bis hierhin „unwissenden“ Zimmermann-Familienmitglieder überraschen zu gehen. Wir zogen also am 23. Juli wieder los. Per Velo gings in Richtung Olten, doch ihr glaubt es kaum, wir hatten schon in Frenkendorf einen platten Reifen und kamen dementsprechend spät zu Sems Mutter. Mit ihr fuhren wir zu Andrea, Sem’s ältester Schwester. Sie hatte eine Riesenfreude ab unserem Überraschungsbesuch.

Unterwegs mit Michaela

Tags darauf pedalten wir dann, mit Michaela, Sems Göttikind, von Olten aus der Aare entlang in Richtung Osten. Denn Michaela wollte natürlich auf unserer Veloweltreise ein bisschen dabei sein und so schloss sie sich uns, für die nächsten drei Tage, an. Seon war unser Ziel, denn dort wohnt Sems Vater. Wir hatten die Info, dass er zuhause sei. Doch leider war dem nicht so. Also standen wir vor der verschlossenen Wohnung. Aber nicht lange, schon kurz darauf kam Sem grinsend mit dem Schlüssel in der Hand. „Ich kenne doch meinen Vater, am richtigen Ort ist immer noch ein Ersatzschlüssel.“ Wir warteten in der Wohnung bis nach 22 Uhr, kochten in der Zwischenzeit das Abendessen und öffneten ihm von innen die Türe, als er nachhause kam. Es war schön, die Freude war riesig und wir schwatzten noch ziemlich lange.


Am nächsten Morgen pedalten wir von Seon aus weiter, besuchten dass Schloss Hallwil und stellten am Abend unser „ausgeborgtes“ Zelt bei einer „Schweizer Familie“-Brätlistelle auf. Dank den schön ausgeschilderten Velorouten fanden wir dann am nächsten Tag den Weg zurück nach Herzogenbuchsee, zu Michaela`s Heim. Einen Tag später pedalten wir nochmals zu Sem’s Mutter nach Olten. Dort waren wir zum Mittagessen eingeladen. Wir genossen das Essen sooo lange, dass wir schlussendlich die Hilfe der SBB benötigten, um rechtzeitig Basel zu erreichen, wo wir noch bei Freunden einen Überraschungsbesuch vorhatten.
 
Somit beendeten wir unsere Überraschungsbesuche und konnten auch endlich auf der Webseite eine News aufschalten, dass wir in der Schweiz seien.