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Schweiz   -   01. Mai 2006 - 08. Mai 2006


Abschied von Wilhelm Tell

Schweiz, 1. Mai bis 8. Mai 2006

Strecke: Basel (St. Margarethenkirche, Binningen) - Aarau - Luzern - Airolo - Chiasso

 

Am 1. Mai ging es endlich los. Um 10.30 Uhr fand unser Abschiedsgottesdienst statt. Wir haben ihn sehr gut in Erinnerung. Es kamen ganz viele Leute, die sich von uns verabschieden wollten. Nach dem Gottesdienst gab es noch einen Apero und schon bald hiess es, sich von jedem zu verabschieden. Sogar die Presse war dabei. Endlich fuhren wir los – von Geklatsche und Zurufen begleitet. Unten am Margarethenhuegel blickten wir zum letzten Mal zurueck und sahen alle ganz klein oben bei der Kirche stehen. Das war schon ein komisches Gefuehl alles hinter sich zu lassen. Schon beim Bahnhof machten wir den ersten Stopp, um eine letztes Mal ins Basler Bahnhofsmigros zu gehen. Schliesslich benoetigten wir noch einen Proviant. Nun ging es richtig los – entlang der nationalen Veloroute Nummer 3.   Kurz vor dem Start - Bild: Sabine Knosala
 
Anfangs kannten wir noch jede Ecke. Dies legte sich jedoch in den Weiten des Baselbiets. Bluehenden Kirschbaeume saeumten von nun an unseren Weg. Vor Ammel (fuer nicht Baselbieter: Anwil) machten wir auf einem Picknickplatz einen Rast. Wir waren beide so muede von den letzten Tagen, dass wir nach einem Schlaefchen auf den Holzbaenken beschlossen unser Nachtlager hier aufzuschlagen.
 
Uebernachtungsort

Am naechsten Tag ging es so richtig steil bergauf auf die Saalhoechi. Uf, das war schon ziemlich anstrengend mit dem schweren Velo. So fuhren wir auch nicht immer, sonder stiessen auch manchmal unsere Fahrraeder. Ja, man kommt auch zu Fuss um die Welt! Auf dem Gipfel kochten wir uns Hoernli mit Tomatensauce. Mmh, war das eine Koestlichkeit nach dieser Anstrengung. Anschliessend wurden wir mit einer langen Abfahrt belohnt. In Aarau kauften wir noch ein Z’Nueni ein, machten eine laengere Pause und beobachteten die in der Sonne flanierenden Leute. Wir verpassten natuerlich den richtigen Link fuer die Veloroute 3 bei der Ausfahrt von Aarau. Nur dank einem freundlichen Herrn fuhren wir nicht auf der stark befahrenen Strasse weiter, sondern fanden sogar etwas spaeter die Veloroute wieder.


Ein uebrigens sehr empfehlenwert Ort ist Schoeftland. Es hat dort ausgezeichneten Baerendreck (Karin), schoene Drogistinnen (Sem) und einen tollen Geheimweg vom Feuerwehrplatz durch einen Schrebergarten ueber eine Bruecke zur Veloroute 3. Von da an ging es sehr gemuetlich der Suhre entlang. Langsam wurden die Schatten laenger und wir begannen ab Sursee einen Platz fuer die Nacht zu suchen. Beim Seebad Schenkon unter dem Vordach des Einganges wurden wir fuendig. Dies stoerrte anscheinend nur einen Hund in der Nachbarschaft.
 
Wir erwachten ziemlich frueh. Es war noch recht kalt. Ganz in unserer Naehe huepften emsig Eichhoernchen umher. Unser Bett war sehr schnell zusammen gepackt und schon pedalten wir Richtung Luzern. Beim Coop in Sempach assen wir unse Morgenessen. Schoggidrink, Vanillestangen, Joghurt und noch weitere feine Dinge. Und wieder fanden wir nicht auf die Veloroute zurueck. Schlussendlich landeten wir auf einem Wanderweg, der ins Juhee fuehrte. Tja, gegen Mittag erreichten wir doch noch Luzern. Als erstes machten wir den neuen Veloplusladen in Emmen unsicher. Wir kauften uns neue Velohelme und einen Regenueberzug ueber Sems Koerbli. Da mir (Karin) beim Fahren sehr schnell die Haende einschliefen, bekam ich noch neue Griffe montiert. Ich muss sagen, der Aufwand hat sich gelohnt – meinen Haenden geht es nun viel besser. Vom Veloplus ging es zum Velociped in Horw. Dort fanden wir einen groesseren Vorbau fuer Karins Velo, so dass sie auch den Lenker noch ein wenig hoeher stellen koennte, um dem Einschlafen der Haende entgegen  zu wirken. Endlich gegen 19 Uhr fanden wir bei Sibylle und Nedzad – unseren ehemaligen Nachbarn aus dem Margarethenletten – ein. Wir genossen die warme Dusche, das koestliche Nachtessen und natuerlich das weiche Bett.
 

Sem wollte so richtig frueh aufstehen und losfahren, stellte aber keinen Wecker. Als Nedzad zur Z’Nuenipause auftauchte, waren wir noch nicht losfahrbereit. Das Wetter war wunderschoen, aber leider schafften wir es nicht an diesem Tag weiter zu fahren. Wir hatten noch tausend kleine Dinge zu erledigen und so blieben wir noch eine Nacht zu Gast bei Sibylle und Nedzad.
 
Natuerlich wollten wir auch an diesem Tag so richtig frueh lospedalen. Um 7.30 Uhr regnete es so heftig, dass wir uns noch einmal umdrehten und weiter schliefen. Gegen Mittag standen wir dann auf. Es hatte aufgehoert zu regnen und wir machten uns abfahrtbereit. Am Bahnhof in Luzern fanden wir sehr schnell auf die Veloroute 3. Der Weg fuehrte auf der Hauptstrasse durch ein Villengebiet dem Seeufer entlang. Es ging immer wider hinauf und hinunter. In Stans begann es so heftig zu regnen, dass wir im Eingang eines Restaurants unterstanden. Sem wollte aber unbedingt noch auf die letzte Faehre von Beckenried nach Gersau. Ich (Karin) fuegte mich meinem Schicksal und montierte die Regenbekleidung. Im Schnelltempo erreichten wir 20 Minuten vor Abfahrt der Faehre unser Ziel. Nach der Ueberfahrt regnete es schon nicht mehr. So pedalten wir weiter nach Brunnen. Obwohl es schon gegen Abend war, beschlossen wir noch auf der Axenstrasse in Richtung Altdorf zu fahren. Die Axenstrasse ist nicht empfehlenswert fuer Velofahrer. Es hat kaum einen Veloweg und die Lastwagen donnern ziemlich Nahe an einem vorbei. Bei der Tellskapelle musste Sem Karins Geschichtskenntnisse ueber sich ergehen lassen. Natuerlich stiegen wir zu der Kapelle hinunter. Um diese Zeit (ca. 21 Uhr) waren wir zumindest die einzigen Touristen. Weiter gings nach Fluelen, wo wir knapp den letzten Zug nach Airolo verpassten.
 

Sem hatte schon am Morgen angekuendigt, dass wir heute beim Pfarrer in Airolo uebernachten werden. Das war also nicht mehr machbar. So fragten wir uns durch zum Pfarrer in Fluelen. Ein Knabe im Dorf, den wir fragten, erklaerte uns auf hochdeutsch den Weg. Er gab sich sichtlich Muehe und wir mussten uns beherrschen, dass wir ab seiner Wortwahl nicht losgrinsten. So erklaerte er uns in vollem Ernst: „Ja, da muessen sie geradeaus fahren und dann ueber einen Hoegger.“ Nun haben wir natuerlich ein neues Wort, das wir bei jedem „Hoegger“ verwenden. Wir laeuteten dann um 22 Uhr beim Pfarrer. Er gab uns einen wunderbaren Platz in der Krypta der Kirche zum Uebernachten. Wir moechten auf diesem Wege uns noch einmal bei ihm bedanken.

Kirche Fluelen
 
In der Fruehe kam der Sigrist bei uns durch. Fuer ihn gehoerten wir anscheinend zum staendigen Inventar, so murmelte er nur: „Schlaft ruhig weiter“. Und das taten wir dann auch. Um 8 Uhr packten wir unsere Siebensachen zusammen und verliessen unseren Schlafort. Wir pedalten nach Erstfeld, um in den Zug nach Airolo zu verladen. Natuerlich verpassten wir ihn um zwei Minuten. So stressten wir den Billettautomaten mit Kleingeld, bis er alles wieder ausspie und total ueberfordert auf dem Display um weniger Muenz bat. Von Airolo gehe es nur bergab, prophezeihte ich (Karin) Sem. Dem war aber nicht so. Es ging einige Male hinauf und wieder hinunter. Sem reklamierte ueber den Veloweg, der nicht effizient ans Ziel fuehre und ich erwiderte ihm, er solle den Veloweg noch geniessen, denn ab Italien gebe es keinen mehr. Nun so blieben wir also der Veloroute 3 treu. Wir sausten also die spektakulaere Leventina hinunter bis nach Biasca, wo wir uns etwas zu essen einkauften. Wir kochten uns im parc a emma Gschwellti und assen dazu Leventinakaese und Salat. Wir troedelten ziemlich lange umher, bis wir um 18 Uhr noch einmal aufs Velo sassen um noch ein wenig weiter zu fahren. Sem wollte noch bis nach Bellinzona. Doch dies scheiterte an der effizienten Fuehrung (Wortlaut Sem) der Veloroute.
 
Im Eisenbahnwagen

Bei einem kleinen Bahnhof – dessen Name wir hier nicht verraten – sahen wir abgestellte Eisenbahnwagen. Sem zueckte seinen Vierkantschluessel und oeffnete einen Eisenbahnwagen. Wir beschlossen kurzum uns in jenem einzunisten. Im Halbdunkeln legten wir unsere Maetteli aus und schon kurz darauf schliefen wir tief und fest.
 
Kurz nach dem wir am Morgen unser schoenes altertuemliche Nachtlager verliessen und wir nebenan am Morgenessen waren, kamen auch schon die Leute die unseren Eisenbahnwagen fuer den Tag herrichten wollten. Huch, hatten wir Glueck und uns rechtzeitig aus dem Wagen verdrueckt. Augenblicke spaeter fanden wir natuerlich auch noch heraus, was heute auf dem Bahnprogramm stand. Eine groessere Gruppe aus Italien habe den Zug gebucht. Mit einem Prospekt abgespiesen, wurde uns eine gute Weiterfahrt gewuenscht. – Wenn die wuessten! Gegen Mittag kaempften wir uns bereits den Monte Generoso hoch. Die Autofahrer im Tessin haben echt was krasses an sich. Oben auf dem Monte Generoso erfuhren wir bei der abkuehlenden Glace, dass hier fast 90% aller Automobilisten so unterwegs seien. Bergab gings natuerlich schon wieder etwas flotter, wenn nur das Material auf dem Velo bleiben wuerde!


Einer meiner Socken verabschiedete sich (es handelt sich um Sem’s Socke, die am Morgen doch erst frisch gewaschen wurde), so gings halt noch mal rauf auf den Berg. Karin und die Velos warteten gemuetlich bis die Socke gefunden wurde. – Bei nur drei Sockenpaaren macht halt ein einzelner schon was aus. J
 
Nach vielen Kurven und holprigen Strassen, so wie Pausen an kalten Fluessen (wo sich Karin die Haare wusch), ging die Route weiter am Lago di Lugano entlang. Nun gab es viele praechtige Haeuser zu bestaunen. Eines groesser und schoener als das andere. In vielen von diesen Haeusern koennte man sich ertraeumen zu leben. Ob dies aber wirklich das richtige fuer uns sei, bezweifelten wir. – So entschlossen wir uns fuers Weiterpedalen um bald noch abenteuerlicheres zu erleben. Gerade deshalb waehlten wir fuer diese Nacht nicht das grosse Hotel am See, sondern stellten erneut unser Zelt auf. Dies an einem exzellenten, zwar nicht so ruhigem, Ort. Naemlich auf dem Seedamm von Melide. Genau dort, wo die Schiffe unten durch kurven. Eben dort, wo sich die Autobahn, die Hauptstrasse, der Zug und das Schiff gute Nacht sagen.
 
Der letzte Tag in der Scheiz begann. Wir hatten nur noch wenige Kilometer bis nach Chiasso vor uns. Nach der Katzenwaesche bei einem oeffentlichen WC fuhren wir auf der Hauptstrasse weiter dem See entlang. Bei einem kleinen Laden assen wir das Morgenessen. In Medrisio besichtigten wir die Fox Town – ein Rieseneinkaufszentrum. Auch die Velos waren mittendrin und kamen auch mit rein. Durch ein schmuckes Doerfchen gings weiter bis zu einer wunderschoenen Kirche. Dort machten wir einen Besichtigungshalt. Kurze Zeit darauf waren wir am Ende der Veloroute 3 – am Bahnhof von Chiasso. Den ganzen Nachmittag ueber erledigten wir noch einige Dinge, die wir noch in der Schweiz zu erledigen hatten. Nach Einkaufen, Internetkaffee und Verhandlungen am Zoll, ob wir doch einen Stempel in unseren Pass bekaemen, erreichten wir Italien.
 
Dieser ganze Bericht ueber die Schweiz entstand in Como, Italien - in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 2006!