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Italien   -   08. Mai 2006 - 02. Juni 2006


Geschichten an einer Strasse/SS 11
 
Italien, 8. Mai bis 15. Mai 2006

Strecke: schweizerische/italienische Grenze – Como - Venedig 

Der Grenzuebertritt von Chiasso nach Como verlief erwartungsgemaess problemlos. Leider bekamen wir von den italienischen Grenzbeamten keinen Stempel in den Pass. Kaum hatten wir die Schweiz hinter uns, war es auch vorbei mit schoen asphaltierten Strassen. In Chiasso waren wir noch in einem Internetpoint und haben uns die Telefonnummer eines Hospitalitymitgliedes rausgeschrieben. Wir riefen ihn - Vladimir - an und er sagte spontan, dass wir zu ihm kommen duerfen. Nach einer stuendigen Kreuz- und Querfahrt durch Como fanden wir den vereinbarten Treffpunkt und wurden von Vladimir abgeholt. Er hatte ein ganz kleines Zimmer und trotzdem fanden wir darin auch noch Platz. Da wir ja noch nichts gegessen hatten, durften wir auch noch seine Kochnische benutzen. Zuerst mussten wir aber, wie es sich fuer einen Maennerhaushalt gehoert, die Spuren der vergangenen Tage (Wochen?) beseitigen. Das Essen kam aber trotz allem sehr gut heraus - es gab Roesti. Mmh!

Am naechsten Tag regnete es. Vladimir ging deshalb nicht an die Uni - si piove troppo. Uns hielt dies aber nicht auf. Frisch geduscht und gut geschlafen kaempften wir uns durch die huegelige Landschaft. Die Strasse auf der wir fuhren war ziemlich stark befahren und nicht sehr komfortabel in der Breite. Bald schon hoerte es auf zu regnen und wir kamen gut voran.

An diesem ersten Tag in Italien erlebten wir sehr viel. Auch unsere Velos merkten langsam, dass es nicht mehr wie in der Schweiz ist.

erster Reifenwechsel

 Sems Fahrrad liess sich nicht mehr so ruhig fahren. Es fuehlte sich an, als ob das Hinterrad eine acht habe. Nach mehrmaligem inspizieren und weil es auch schlimmer wurde, entschlossen wir uns einen Velohaendler aufzusuchen. Wir fanden Galbiati cicli e moto di Curno. Als erstes erschien eine donone. Ich erklaerte ihr unser Problem und sie holte ihren Mann, den mecanico. Er schaute sich die Sache schnell an und meinte nur"Ah, der Pneu ist kaputt!" Wir meinten, ihn nicht richtig verstanden zu haben, bis wir den Pneu genauer anschauten. Er war wirklich gerissen. Gibt es denn so was - am 8. Tag. Wir wechselten also den Pneu.

Zum Glueck hatten wir einen Ersatzpneu von zuhause mitgenommen. Es lebe Schwalbe Marathon, denn in Italien gibt es nur ganz grobe Mountainbikepneus oder ganz feine Rennvelopneus. Bis heute - und wir haben jetzt schon etliche Velolaeden abgeklappert - immer noch nicht gefunden.

Nach Bergamo wurde es dunkler und wir schauten uns um fuer einen Nachtplatz. Wir erkoren ein an der Hauptstrasse liegendes Doerfchen zu unserem Uebernachtungsort. Eine Kirche oben am Huegel stach uns ins Auge. Wir trafen ein aelteres Ehepaar, das wir nach einem Platz fragten, um unser Zelt aufzustellen. Ja, also wir sollten es dort weiter hinten bei dem Kloster versuchen. Dort wohnten "suore". Wir lauteten bei einer Klingel, die angschrieben war mit "sacra famiglia". Eine Frau schaute heraus und sagte wir sollen zur Kirche gehen, dort sei gerade Gebetszeit und wir faenden dort die Schwestern. Nicht die Kirche auf dem Huegel, sondern die rechts herum. Bei der Kirche, stroemten gerade viele Jugendliche heraus und wir fragten die erste Schwester, ob wir unser Zelt aufstellen duerfen. Die erste Schwester meinte, sei sei nicht zuestaendig und so wurden wir weitergereicht, bis wir im Jugendclub der Gemeinde waren und ein Priester auftauchte. Der war dann wohl zuestaendig fuer Leute wie uns. Nach langen Diskussionen wurde beschlossen, uns auf dem "campo" (Fussballplatz) uebernachten zu lassen. Zuerst musste der Schluessel gefunden werden. In Italien hat es ja um alles herum einen Riesenzaun, oft mit Stacheldraht und einem grosse abgeschlossenen Tor. Kaum hatten wir begonnen unser Zelt aufzustellen, kam der Priester zurueck und fragte uns, ob wir nicht drinnen uebernachten wollten. Ja natuerlich wollten wir das. So ging es, in Begleitung des Priesters, einer Nonne und einigen Jugendlichen, zurueck zum Jugendtreffpunkt. Eine Tuere oeffnete sich und Sem trug unsere Fahrraeder hinunter auf einen Platz. Es ist erstaunlich was sich hinter diesen Mauern versteckte. Dort fand sich ein Raum, in dem wir - nachdem wir mit Strudel (auf italienisch Strudel), panini und Mandarinen eingedeckt waren - schlafen durften.

 

Am naechsten Tag durften wir dann noch besichtigen, was sich alles noch hinter diesen Mauern versteckte. Es war ein Kloster und eine Schule. Der Abwart fuehrte uns herum. Er erzaehlte, dass dies einmal einer reichen Familie gehoerte. Die letzte ueberlebende dieser Sippe wurde eine Nonne und gruendete dieses Kloster. Daraus entwickelte sich dann ein Waisenhaus und spaeter diese Schule mit 650 Kindern. Die Gruenderin dieses Klosters wurde vor einigen Jahren vom Papst heilig gesprochen. Nach der Besichtigung eines Klassenzimmers und der Turnhalle wurden wir dann auf die Strasse entlassen.

Wir pedalten weiter. Unsere Hauptrichtung hiess Venedig. Die Hauptverbindungsstrasse die wir immer wieder fanden war die SS11. Teilweise war sie vierspurrig, fast wie eine Autobahn in der Schweiz. Ueberholende Rennvelofahrer bestaetigten uns immer wieder, dass Fahrrad fahren auf dieser Strasse erlaubt war. Kleine Strassen zu finden war schwierig. Die Signalisation fuehrte uns immer wieder auf unsere "Lieblingsstrasse SS11". Tankstellen waren sehr haeufig anzutreffen und sie wurden fuer uns beliebte Raststaetten, denn es hatte immer ein gutes WC (riesengross und supersauber) und auch gelatis. Auffallend sind die vielen "lavaggio". An jeder noch so kleinen Tankstelle steht so eine Waschanlage. Ob die italienischen Autos sauberer sind als unsere, muesst ihr selber ueberpruefen.

Auch die naechste Nacht verbrachten wir bei einem Priester und einer Nonne - italienisch eingesperrt - auf dem Rasen hinter der Kirche. Und schon waren wir in Verona. Die Stadt von Romeo und Julia. Im letzten Tageslicht machten wir mit unseren Fahrraedern sightseeing durch die Stadt, die wirklich huebsch anzusehen ist. Wir sprachen mit zwei Securitymenschen, ob sie einen guten Platz fuer unser Zelt wuessten und die carabinieri erklaerten uns den Weg zum Camping. Trotzdem hofften wir noch auf eine Gratisnacht. So trafen wir um 23.30 Uhr Davide. Ein begeisterter Rennvelofahrer und Musiker, der versprach uns zu beherbergen, wir sollten einfach um 00.30 Uhr auf der ponte pietra auf ihn warten. Dies taten wir also und Davide tauchte nicht auf. So stiessen wir unsere Velos im Schlepptau zweier deutscher Musiker zur JH hinauf. Der Mann an der Pforte oeffnete nicht, da die JH seit 24 Uhr geschlossen sei.
 

Verona

Weiter ging es durch die dunkle Nacht hinauf zum Camping. Er lag hinter dicken, zugewachsenen Mauern und erst nach langem Suchen fanden wir das Eingangstor - natuerlich mit Stacheldraht zugemacht. Es war gegen 2 Uhr. Jegliches Laeuten hatte keinen Zweck. Da hoerten wir Stimmen. Durch unser Rufen erschien ein junger Mann, der nur spanisch sprach. Er meinte, man solle einfach weiter laeuten und siehe da, es erschien der Campingchef, der uns das Tor oeffnete. Er hatte einen boesen Gesichtsausdruck, lief vor uns her, wies uns einen Platz zu und murmelte "See you tomorrow." und weg war er. Der Camping in Verona ist uebrigens sehr empfehlenswert. Am Morgen schrieb uns Davide dann noch ein sms. Er sei um 00.25 Uhr bei der Bruecke gewesen und habe uns nirgendwo gesehen. Tja, der Mann hat wohl Tomaten auf den Augen!

Weiter ging es auf der SS11 in Richtung Venezia. Zuerst aber noch etwas zu unserer Enaehrung. Entlang unserer Lieblingsstrasse fanden wir immer wieder riesige Supermercati. Sem war begeistert ab der Groesse und Auswahl in diesen Laeden. Wir lassen es uns gut gehen. Wir essen grosszuegig Muesli, Joghurt, Milch, Orangensaft, Brot, Kaese, Erdbeeren, Salat, Aepfel, Guetzli, panna cotta, Lakritze, Gatorade, Chinotto, Pommes Chips etc. Natuerlich kochen wir auch immer wieder mal, sei dies zum Beispiel Pasta, Reis oder Gemuese.

Vicenza war obligatorisch, verbrachte doch Karin vor einigen Jahren eine Lagerwoche mit der Gymiklasse dort. Eigentlich wollten wir nur zwei Stunden dort verbringen, aber auf der Touristeninfo fanden wir heraus, dass an diesem Abend viele Museen und Kirchen gratis offen hatten. Die ganze Stadt war geschmueckt, ueberall hingen festlich Fahnen. Es war ein Feiertag - der Tag der alpini. Dies ist eine Militaertruppe der Italiener aus dem Gebirge. Wir blieben also und bestaunten das teatro olimpico. Beim palazzo chiericato bewachte der Securitas unsere Fahrraeder, waehrend wir die Bilder bestaunten. Als wir rauskamen, standen zwei weitere Leute um unsere Velos herum. Wir kamen ins Gespraech. Es war der Chef des Museums mit seiner Frau. Sie boten uns an unsere Velos bei ihnen einzustellen, damit wir besser den Rest der Stadt besichtigen konnten. Schlussendlich kamen sie sogar mit uns mit. Gemeinsam besuchten wir andere Museen und Sehenswuerdigkeiten. Wir hatten also unseren persoenlichen Guide, der uns alles erklaerte und zeigte. Auf der Piazza bestaunten wir die Fassade von Palladio (liebe MitschuelerInnen aus dem Gymi, kennt ihr ihn noch?) und besuchten das unterirdische criptoportico romano - ein unterirdisches Haus, das frueher bewohnt wurde. Als alles geschlossen war, gingen wir zu Graziella und Paolo nachhause. Schon vorher boten sie uns an, unser Zelt in ihrem Garten aufzustellen. Es hatte genau Platz. So wurden wir auch diese Nacht italienisch sicher eingeschlossen. Sogar die Alarmanlage des Museums sicherte uns mit.

Nun hiess es endgueltig Venedig. Wir steuerten nun unentwegt diese faszinierende Stadt an. Wie immer wussten wir nicht ganz sicher wie viele Kilometer uns noch von diesem Ort trennte. Da die Angaben der Italiener sehr unterschiedlich sein koennen. Es schwankte bei der Distanz Vicenza-Venedig zwischen 60 und 140 km! Es lohnt sich also nicht immer zu fragen.

mit dem Velo auf dem Markusplatz in Venedig 

 Die SS11 fuehrte uns direkt zum und ueber den Damm nach Venezia. Kurz vor dem Damm trafen wir auf einen anderen Veloweltreisenden. Er war bereits 90 Tage unterwegs. Kam von Barcelona, Spanien, bis hier nach Venedig. Sein Endziel ist Alaska. Mit Patrick freundeten wir uns schnell an. Auf dem Damm nach Venedig rueber haengte er sich schon in unseren Windschatten. - Gemeinsam unternahmen wir in Venedig das erste Abenteuer. Wir wollten auf die Piazza San Marco, um dort ein Bild mit unseren Velos zu machen. Es brauchte aber viel Ueberzeugungskraft um ein Boot zu finden, das uns mitnahm. Nach der Ueberwindung von zwei Treppen-Bruecken (sehr typisch fuer Venedig) standen wir aber auf dem Platz San Marco. Die anderen Passanten bewunderten uns. Aber nicht alle hatten an uns ihre Freude. Die Carabinieris waren zum Beispiel schnell zur Stelle, als Patrick sein Rad an einen Zaun anstellte.
 

Wir erfuhren nun, dass in Venedig das Abstellen von Velos nicht erlaubt sei und auch das Fahren nicht. Also man darf die Velos nur stossen oder einfach halten beim herumstehen, that's it.

Wenige Augenblicke spaeter kam auch schon unser erster Besuch aus der Schweiz anspaziert. Michèle und Marc waren auch in Venedig und via sms haben wir abgemacht. Alle fuenf zusammen verbrachten wir den Rest des Abends in einem Restaurant. Es war sehr lustig und interessant sich ueber das Reisen auszutauschen. Sehr schnell war es 23 Uhr und wir erreichten knapp das letzte Schiff zum Lido di Venezia, wo wir nach einigem Hin und Her auf dem sehr menschenleeren Camping San Nicolo unser Zelt aufschlugen. Dies durfte dort nun zwei Naechte stehen. Wir verbrachten noch einen Tag mit Patrick in Venedig. Erst kam er uns aber auf unserem Camping besuchen und interviewte uns mit Camera und allem drum herum ganze zwanzig Minuten lang, ueber uns und unsere Reise.
Venedig ist uebrigens eine sehr schoene und spezielle Stadt. Von den Holzpfaehlen auf der sie gebaut ist, sieht man zwar nichts, jedoch der Gedanke das unter einem ueberall Meer ist, ist ein bisschen erstaunlich. Die ganze Stadt ist im uebrigen Auto- und ja auch Velofrei. Es gibt nur Schiffe und Gondolieris und viele, viele Fusstouristen. - Wer die Stadt noch nie erkundet hat, sollte dies vielleicht irgendwann einmal machen. Ansonsten findest du ein paar wenige Fotos in unseren Bildern.
Am Ende dieses Berichtes moechten wir nur noch kurz erwaehnen, dass diese doofe Computer Tastatur leider keine Buchstaben mit Punkten darueber hat. Also keine richtigen ae; oe; ue - ich denke ihr versteht was wir meinen.Es geht uns uebrigens beiden gut. Die ersten Insekten haben uns zwar auch schon entdeckt, es gibt ja aber AntiBrumm. - Auch das Wetter ist uns sehr hold und Sem hat sogar schon seinen ersten kleineren Sonnenbrand ueberlebt.

Allen einen lieben Gruss. - Karin