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Australien   -   09. Januar 2008 - 07. August 2008


Kein Meister ist jemals vom Himmel gefallen
 
Australien, Karfreitag 21. März bis 22. März 2008
 
Strecke: in und um Noosa


Wir haben es geschafft – wir sind an der Sunshine Coast und nach zwei Tagen schlechtem Wetter hat sich just auf heute, den für Australier freien Karfreitag, die Sonne hervor gewagt. Schon um 6.30 Uhr werden wir an unserem idyllischen Zeltplatz – direkt an der natürlichen Lagune am Sandstrand inmitten der Bonzenwohnregion Noosa Head – von einem Kajaker gestört. Das Wasser plätschert gegen sein Kajak und beim Einladen der  Angel, die ungeschickt gegen das Boot klappert, öffnen wir definitv unsere Augen. Was für ein Anblick: Morgenlicht, glattes Wasser, blauer Himmel, ein Fischer auf seinem Dingy und der Mann mit dem Kajak, der soeben ins Boot gestiegen ist. Zehn Minuten später ist er schon bis zu den am anderen Ufer liegenden Mangroven gepaddelt und seine Fischerrute hängt im Wasser. Petri Heil, denke ich und sauge die Stimmung in mich auf. Ich bin entschädigt für die vorangegangen regnerischen Tage und bin mir nun sicher, dass wir am Ziel sind – an der Sunshine Coast in Australien, wo es mehr Sonnentage hat als in Florida. So müssen Ferien sein, denke ich, während ich mit routinierten Griffen beginne das Zelt abzubauen.
 

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Eine Stunde später und 8 km weiter sitze ich am Main Beach in Noosa Head und beobachte die Surf-Szene. Etwa 15 Surfer liegen mit ihren Brettern im Wasser und warten auf die Welle, auf der sie zuerst liegend und dann im richtigen Moment aufstehend, darauf reiten. Ich bin noch nie gesurft und beneide die auf den Bretter surfenden Menschen – wie gerne würde auch ich im Wasser liegen und im richtigen Moment meine Beine (Füsse)  auf das sachte gleitende Brett stellen, den Wind in den Haaren spüren und gekonnt die Welle reiten. Doch wahrscheinlich ist es ein langer Weg bis dorthin, denn soeben kämpft sich ein nicht mehr so junger Surftyp mit seinem Brett unter dem Arm ins Wasser. Schon das Klettern über die Felsen am Strand erschöpfen ihn sichtlich – er rutscht ab, stösst sich an, flucht, rappelt sich auf und liegt endlich auf seinem Brett, um mit langen Armzügen der Welle entgegen zu schwimmen. Da hoppla, schon steht er drauf, schwankt zuerst, hält die Balance, schafft es doch nicht und fällt unschicklich ins salzige Nass, aus dem er kurz darauf Wasser spuckend wieder auftaucht. Hey Opa, nur nicht den Mut verlieren, kein Meister ist jemals vom Himmel gefallen!


Während wir uns am Gasbarbeque zum Morgenessen Pancake bruzeln, kommen immer mehr Leute an den Beach. Auf jedem zweiten Autodach sind schön gestapelt Surfbretter aufgeschichtet. Mama trägt Hut, Tochter Sonnenschutzshirt und Papa seinen coolen Surfanzug. Feiertag in Australien. Am Barbeque am Nebentisch haben sich junge Russen breit gemacht, laute Popmusik läuft aus dem mitgebrachten Laptop, die Mädels, typisch russisch schlank mit flachen Bäuchen, langen Beinen und blonden Haaren, sitzen rauchend am Tisch, während die Männer sich mit dem Fleisch und dem Öffnen der Weinflasche beschäftigen. Erst Sem's Schweizer Sackmesser hilft um den Korken zu entfernen, ja dumm gewesen wenn man Weinflasche hat, aber nicht zum Inhalt vorstossen kann.
 
Eigentlich wollen wir weiter und beginnen das Frühstücksgelage zusammen zu packen. Der Tag hat erst begonnen, doch Sem ist jetzt schon genervt. Ich lasse mir aber meine Ferienstimmung nicht vermiesen, denn ich bin da, wo sich alle Australier hinwünschen – an der „Sunshine Coast“ in Australien! Doch als ich dann endlich soweit bin weiter zu pedalen, entscheidet sich Sem den Kilometerzähler am Velo zu reparieren und so bleiben wir halt am Noosa Head, wo sich mehr braungebrannte Aussies tummeln als sonst irgendwo an einer Beach.


Um 16 Uhr sind wir immer noch in Noosa und kommen soeben aus der Touristeninformation mit einem Voucher in der Hand, ja – wir haben's getan – wir haben einen 2-stündigen Surfkurs für den folgenden Tag gebucht. Doch vorerst versuchen wir es mal mit schwimmen. Während ein Vater, dessen Kind im Sand spielt, ein Auge auf unser Pino hält, stürzen wir uns ins Wasser und geniessen das Spiel mit den Wellen.
 
Tags darauf ist es dann soweit - wir haben unsere erste Surflektion. Unser Surflehrer Carlos, mit graumelierten Haaren und braungebranntem Body, trifft uns bei der Touriinformation und fährt uns voraus zum “Tip” - zum Anfängersurfbeach. Nach slip, slap, slop (slip a shirt, slap a hut and slop sunscreen) klemmen wir unsere Boards unter den Arm und ziehen los in Richtung Beach. Ja, jetzt sind wir also dabei – und mit hochgerecktem Kopf zwinkern wir den anderen Surfern zu.
 

Als erstes machen wir Dehnübungen, dann Trockenübungen und erst als wir die Theorie verstanden haben, geht es ab ins Wasser. Verzweifelt kämpfe ich mich gegen die Wellen in Richtung offenes Meer, doch jede Welle, die mich erfasst, wirft mich mindestens wieder soweit zurück. Vorne im Meer steht Carlos wie der Fels in der Brandung und ruft mir zu: “come here”. Ja, wollen schon, aber nicht können, denn ich befinde mich in verzweifelter Lage. Während die Surfanfänger der Konkurrenzschule in hüfthohem Wasser stehen, hänge ich an mein Brett geklammert in einem Loch. Stehe ich auf meine Zehen, ragt knapp mein Kopf aus dem Wasser und wenn ich zwischen zwei Wellen tapfer einen Schritt nach vorne mache,

wir mit unseren Surfoboards


will mein rechtes Bein einfach nicht mitkommen, da es ja an einer Leine ans Surfbrett angemacht ist, damit ich nicht das Brett verliere. Ich kämpfe, doch jeden Zentimeter den ich gewinne, verliere ich bei der nächsten Welle wieder.
 
Nach 10 Minuten, komplett erschöpft, habe ich es endlich geschafft, ich bin draussen bei Carlos. Dann versuche ich meinen ersten “ride”. Carlos hält mich, erste, zweite und dritte Welle sind zu hoch, während ich noch versuche das Wasser aus meinem Gesicht zu kriegen, entscheidet Carlos, dass dies, die vierte Welle, meine Welle sei. Er ruft: “paddel” und ich gebe alles. Die Welle kriegt mich, die Gischt zischt, ich schiesse durchs Wasser und als ich – zack – aufstehe, liege ich auch schon im Wasser. So beginnt das Spiel von vorne – Surfbrett halten und gegen die Strömung ins offene Meer laufen. Laufen – also, kämpfen – drei Schritte nach vorne, zwei zurück. Wenigstens bin ich nun auf – und nicht mehr neben - der Sandbank und so schaffe ich es diesmal doch immerhin in etwa 8 Minuten, bis ich draussen bei Carlos bin. Wieder rauf aufs Brett, diesmal warten wir zwei Wellen ab und dann sause ich los, balanciere das Brett, steh auf – und falle wieder...  Erst nach mehreren Anläufen schaffe ich es dann wirklich zu stehen – um einige Sekunden wenigstens – und den Kick der Surfer zu fühlen...
 
Es war eine gute Erfahrung – das Surfen, doch trotzdem setze ich mich nach zwei Stunden wieder liebend gerne auf meinen gemütlichen Stokerplatz und geniesse das „kampflose“ pedalen durchs schöne Noosa und weiter entlang der Sunshine Coast.
 
 
Karin, Noosa 22. März 2008