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Australien   -   09. Januar 2008 - 07. August 2008


Nichts – das grosse Nichts!
 
Australien, 17. Februar bis 20. März 2008
 
Strecke: Eugnella – Mackay – Rockhampton – Bundaberg – Hervey Bay – Fraser Island (zu Fuss) - Noosa

Schon Tage zuvor, Kilometer zurück, in Townsville warnten uns alle zwischen Mackay und Rockhampton da ist nichts. Diese Aussage hörten wir abermals und abermals auf dem Weg in die Nähe dieses Streckenabschnittes. Wir fürchteten uns davor und fragten uns und auch die Leute, ob in dieser Strecke von 335 Kilometer wirklich nichts sei, oder ob die Möglichkeiten Wasser zu kriegen vorhanden seien. Einige verneinten vehement, andere sagten, dass es wohl Farmen gebe, die seien aber weit weg von der Strasse. Ja, wir müssten mit gar nichts rechnen. Je näher wir aber Mackay kamen, desto differenzierter wurden die Gespräche über die folgenden Kilometer. Ja, es gebe schon Ortschaften, aber ob wir dort was bekämen – naja.
 

Sem im nichts – gleich neben dieser Halle gab es sogar einen Laden

Bald stellten wir aber fest, dass nach Mackay Sarina kam, ein Städtchen mit drei Supermärkten – nur gerade 37 km weiter – und auf dem weiteren Streckenverlauf waren dann doch auf einigen Karten kleine Käffer wie Koumala, Ilbilbie, Carmila, St. Lawrence oder Princhester. Nur gerade dort in Princhester, an Karins 32. Geburtstag, hatten wir ein Problem die Wasserflaschen zu füllen. Im dorfeigenen Laden, wo wir uns eine Geburtstagsglace gönnten, wollte uns die Ladeneigentümerin kein Wasser geben. Sie habe auch nicht genug – hier sein eine „Trockenzone“, wir sollten woanders hin gehen. Sehr freundlich war das nicht und auch sehr eigensinnig von dieser Dame. Auf alle Fälle bekamen wir dann im angrenzenden Pub unsere Flaschen aufgefüllt.


Wir überstanden also die 335 km nach Rockhampton, kein Teil der Strecke war länger als 40km ohne dass wir ein anscheinend bewohntes Haus von der Strasse aus sahen - und dies bezeichneten die Aussies also als „Nichts“.
 
Angekommen in Rockhampton wollten wir nun endlich einmal australische Tiere sehen. Margot und Wayne – unsere Gastgeber – kamen mit uns in den botanischen Garten und wir konnten von ganz Nahe Koalas, Wallabies und farbig bunte Vögel betrachten.
 
Da stellt sich doch nun einmal die Frage, was wir denn so die ganze Zeit tun während dem Pedalen: Also klar – wir pedalen – und Sem, der steuert auch noch! Doch dazwischen gibt es viel, viel Zeit und die wissen wir zu füllen. Eine grosse Sache ist natürlich zu schauen – die Landschaft zu geniessen, die Düfte in der Luft einzuatmen – da riecht es nach Eukalyptus, Curry, Mimösli, verendeten Tiere, Abgase... – die Sonne auf der Haut zu spüren, den Wind in den Haaren zu geniessen und so weiter. Ansonsten vertreiben wir uns das pedalen mit singen. Auf unserer momentanen Hitliste stehen: 1. Döt ähne am Bärgli, 2. Surchabis vom Gürbetal (singt vorallem Sem – um den vollständigen Text wären wir froh, da wir nur die ersten drei Wörter kennen!), 3. Ich bi di chlini Häx (auch Sem),  4. Weihnachtslieder, 5. in gemischter Reihenfolge: Ubi Caritas; wenn d’Birs und Chlusbach Hochzit hän (Karin); gang rüef dr gäle, gang rüef dr bruune; wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen...

 
Ansonsten sprechen wir über die Strassenbeschaffenheit, streiten ob wir Gegen- oder Rückenwind haben, kommentieren gesehenes, zeigen uns gegenseitig Dinge (hesch das gseh...), fahren um Scherben und Löcher (oder ab und an quer durch), grüssen die Schafe und Kühe (Sem macht das ausdrücklich mit „hi guys“), entwickeln Winktechniken für entgegen kommende Autos, Campervans, Trucks, Bauern, Schulbussen (bei Trucks einfach Hand zackig nach oben klappen, bei Campervans winke-winke Technik anwenden etc.), diskutieren Pinoverbesserungen (ein Segel auf dem Pino etc.) oder entwickeln Ideen wie „the biggest man-made mountain“. Ab und zu halten wir auch an, trinken was, essen eine Banane und schiessen ein Foto. Und immer wieder müssen wir uns natürlich sagen, dass wir uns doch gerne haben.... (-;
 
In Bundaberg wohnten wir bei Beryl und Chris. Sie zeigten uns den Strand von Elliot Heads, wo wir so richtig zum ersten Mal Surfer beobachten konnten. Doch es war auch in Bundaberg, wo wir feststellten, dass sich bei den Speichenlöchern unserer starken 40er Loch Mavic Hinterradfelge kleine Risse bildeten. Wir beschlossen jedoch mit der angerissenen Felge bis nach Brisbane weiter zu pedalen. In der Zwischenzeit hatten wir nämlich Velocity – eine australische Firma, die Velofelgen und -räder herstellt – angefragt, ob sie uns nicht eine neue Felge sponsern würden. Spontan schrieben sie zurück, dass wir doch bei ihnen in Brisbane vorbei schauen könnten.

Karin beobachtet Windsurfer
 
Doch vorher wartete noch ein Höhepunkt auf uns: Wir wollten auf Fraser Island, denn alle Touris gehen auf Fraser Island. Da diese Insel aber vollständig aus Sand besteht, mussten wir wohl oder übel unser Velo auf dem Festland lassen. Glücklicherweise nahm uns Hilly und Bert zu sich nachhause. Die beiden waren vor 12 Jahren auf Fahrradweltreise und hatten einige Anekdoten zum erzählen. Bei ihnen liessen wir dann für fünf Tage unser Pino stehen und machten uns zu Fuss über die Insel. Unsere Muskeln waren das „wandern“ gar nicht gewohnt und so schleppten wir uns recht mühsam auf dem Wanderweg durch den dichten Wald. Unser erstes Ziel war der berühmte Lake McKenzie und wir wurden nicht enttäuscht. Das Wasser leuchtete in wunderbarem blau und nach 16 Uhr waren auch alle 4WD-Touris weg, so dass wir den See für uns alleine hatten.
 
pausieren auf der grössten Sandinsel Australiens

Für die Fussgänger war gleich neben dem See ein „hikers-camp“ angelegt und so verbrachten wir eine ruhige Nacht unter knarrenden Bäumen, denn ein Sturm kam auf. Am nächsten Tag kam eine beunruhigte Rangerin auf uns zu und meinte, dass wir doch zur „Central Station“ kommen sollten, da der Sturm voraussichtlich die Insel treffen würde. Doch wir blieben wo wir waren und wanderten am nächsten Tag zum Lake Wabby. Schon im Halbdunkeln erreichten wir das „hikers-camp“ und trafen auf Andrea und Leroy, die mit einem gemieteten 4WD unterwegs waren. Da es ziemlich ungemütlich wurde mit ihnen in der Dunkelheit und im beginnenden Regen zu plaudern, luden wir sie in unser Zelt ein. Unglaublich so was – nach über 650 Tagen reisen, hatten wir unsere ersten Gäste im Zelt.


Tags darauf boten uns die beiden an, mit ihnen im Auto den Oststrand zu erkunden. Wow, war das genial, denn wir fanden das Wandern zwar schön, waren aber enttäuscht, dass sich der Weg immer nur im Wald befand und man von der „sandigen“ Insel gar nicht soviel mitbekam. So erlebten wir dank ihnen das, was wohl jeder Australienreisende mitmacht – 4WD auf Fraser Island. Leroy verstand auch sein Handwerk, denn er ist der Mann, der beim deutschen Autohersteller (dieser mit dem silbernen Stern) die Fahrzeuge auf Herz und Nieren testet. Er rast dazu so lange über Testpisten, bis klar ist ob die Karrosse hält oder beispielsweisse Teile der Fahrzeugverkleidungen abfallen.
 
Als wir nach 5 Tagen „wandern“ auf Fraser Island beim Kingfisher Resort zurück waren und uns bei der netten Rangerin abmeldeten, handelten wir sogar noch einen Gratis-Schwumm im Resort-eigenen Pool aus. So konnten wir im Whirlpool unsere Beine massieren lassen und im Schwimmbecken Schwimmuskeln antrainieren.
 
Zurück bei unserem Pino hiess es wieder pedalen. Dabei trafen wir in Maryborough Mary Poppins an, zwei Tage darauf beobachteten wir Delphine und dann ging es kilometerlang an unendlichen Waldplantagen (die Bäume sind schön militärisch angeordnet) vorbei. So kamen wir endlich an den Ort, wo sich noch so viele Australier hin wünschen und wo mit mehr Sonne als in Florida geworben wird.