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Australien   -   09. Januar 2008 - 07. August 2008


Auf frischer Tat ertappt!
 
Australien, 9. Januar – 26. Januar 2008
 
Strecke: Cairns – Tablelands – Innisfail – Tully - Townsville

Fast wie in den alten Zeiten als die ersten europäischen Siedler das grosse Land auf der anderen Seite der Welt erreichten – setzten auch wir nach einer langen Schiffsreise unseren Fuss auf australisches Festland. Voller Tatendrang und Freude auf das neue Land pedalten wir vom Hafen ins Stadtzentrum von Cairns. Doch abrupt wurden wir abgebremst - ganze neun Tage! Unser Velofahrerleben musste erst einmal wieder organisiert werden.
 

Nähte abdichten am Zelt

Wir hatten einiges zu tun: Wir mussten die Nähte des Zeltes neu abdichten, der in T.I. kaputt gegangene Computer erhielt eine neue Harddisk, die Löcher in unseren Schlafmatten und in den Karrimor Taschen mussten repariert werden und zu guter letzt mussten wir noch die Bremsklötze der Magura Scheibenbremsen am Pino ersetzen, da sie vom Spray, den wir dem Pino als Schutz vor dem Rosten für die Segeltour verabreichten, voll gesogen waren. Als Ersatz hatten wir jedoch die falschen Klötze mit und von Sydney sendeten sie gleich nochmals die falschen – so hiess es erneut warten! – Unterdessen sahen wir dann auch noch alle Campingläden der Stadt, da wir gebrochene Zeltgestänge hatten und auch Regenjacken, die nicht mehr dicht waren.


Dank Roli, dem Schweizer aus dem Veloladen, konnten wir dann noch einen Doppelzeltstangensack nähen, der es nun erlaubt die Gestänge optimal am Pino zu transportieren.
 
Dank dem, dass wir bei Arwen, unserer Gastgeberin von Couchsurfing diese Tage in Cairns wohnen durften, hatten wir nebst all dem organisatorischen auch eine gute Zeit. Nie vergessen werden wir, wie Arwen uns fragte „How do you melt cheese?“ (wie schmelzt man Käse?), nachdem wir ihr vorschlugen das typisch schweizerische Gericht „Älplermaggaroni“ zu kochen und ihr erklärten, dass dies geschmolzenen Käse beinhalte. – Jedenfalls liebte sie dann das Gericht und weiss nun heute, wie Käse geschmolzen wird!

 
Endlich am 18. Januar pedalten wir aus Cairns heraus, um die Ostküste Australiens hinunter zu fahren. Die Sonne brannte ziemlich auf uns hinunter und wir waren schon fast am überhitzen, als es beim Hinterradpneu „pfffff“ machte. Nur gerade 13 km nach Cairns hatten wir unseren ersten platten Reifen am Pino und in Australien. Zum Glück war in der Nähe ein Haus, wo wir im Schatten einen Flick anbringen konnten. Der Besitzer des Hauses offerierte uns sogar noch eine eisgekühlte Limonade und mit dem Gartenschlauch kühlten wir uns ein bisschen ab. Wir erhielten den Tipp, dass sich nicht weit weg auf der Strasse in Richtung Tablelands ein Creek befinde, wo man baden könne. Hm, zwar wurde uns geraten im Norden von Australien nie, aber auch nie in einen Creek baden zu gehen, da überall Krokodille lauerten, aber da wir nicht die einzigen waren, dachten wir es sei hier wohl ungefährlich. Die Abkühlung war herrlich und nach einem Brot-Käse-Tomaten-Imbiss radelten wir auf dem Gillies Highway in Richtung Tablelands. Zuerst war es noch recht flach, doch allmählich ging es immer höher in steilen Serpentinen. Nach über zwei Monaten auf dem Segelboot kämpften wir ziemlich mit dieser Anstrengung. Ein Schild versprach für die nächsten 19 Kilometer eine „World-Heritage“ Strecke und uns gefiel es sehr durch den kühlenden, dschungeligen Wald zu pedalen. Doch da wir ziemlich spät unterwegs waren – aufgrund des platten Reifen und des Badestopps im Creek verständlich – dunkelte es schon bald ein. Wir hatten keine Ahnung wie weit die Strasse noch hoch ging und ob es sich lohnte in der Dunkelheit weiter zu pedalen. So stoppten wir, um Autos anzuhalten und die weitere Streckenführung zu erfragen.
 
Doch es wollte niemand anhalten, bis dann doch eine mutige Frau stoppte und uns erklärte, dass die nächsten 20 Kilometer nichts käme und es nur aufwärts ginge. Ups, das war tatsächlich zu gefährlich auf dieser engen Strasse weiter zu kurbeln und da es auch noch zu regnen begann,  beschlossen wir gleich neben der Strasse bei der Ausscherstelle für langsamere Fahrzeuge unser Zelt aufzustellen. Ja, wir hatten es geschafft am ersten Radeltag unsere Vorsätze für Australien, „wir baden wegen den Krokodillen in keinem Creek, wir pedalen nicht im Dunkeln, wir campen nur im versteckten“ über den Haufen zu werfen. Das konnte ja noch heiter werden, doch wir hatten Glück – es störrte sich niemand an uns, wir wurden nicht bestohlen und die Polizei räumte uns auch nicht weg.

Campen direkt an der Strasse
 
Das Ende des Aufstieges kam dann am nächsten Tag nach 3 Kilometer und nicht erst nach 20, wie die Dame am Tag zuvor voraussagte. Nur hatten wir gehofft in einem Land zu sein, wo die Leute Distanzen und Strassenbeschafftenheiten kannten, doch wir wurden mit anderem belehrt.
 
Die Tablelands sind ein hübsches Fleckchen Erde. Leuchtende, sattgrüne Wiesen mit Kühen darauf und kühlere Temperaturen machten das Fahrrad fahren zum Genuss. Nach so langer Abstinenz liebten wir es in die Pedale zu treten. Kurze Zeit später lenkte Sem das Pino auf einer Nebenstrasse durch den Regenwald. Dort im versteckten lag der Badesee Echam, wo wir erneut zu einem Schwumm kamen und wir im glasklaren Wasser Fische und Schildkröten beobachten konnten. Beim Kochen am Barbequestand sprach uns ein Mann an und lud uns spontan zu sich nachhause ein. So kamen wir zu unserem ersten „Aussie-BBQ“, einer Dusche und einer Übernachtung im „Swag“ des Sohnes. John belieferte Geschäfte der Region mit Produkten der lokalen Milchfirma „Dairy Farmer“ (Milchbauern) und so versorgte er uns vor unserer Weiterfahrt nach dem gemeinsamen sonntäglichen Gottesdienstbesuch in der Baptistenkirche mit einem Karton voller Milchshakes, was vorallem Sem absolut „happy“ machte.
 
Tablelands

Die Strecke führte weiter über rollende Hügel, zu den grössten Baumstämmen, die man hier je aus dem Wald geschlagen hatte und zum Milla Milla Wasserfall wo wir trotz des Verbotsschildes nächtigten. Wir staunten über die Australier, dass ein jeder um sein Haus herum den Rasen bis zur Strasse so peinlich exakt abgemäht hatte. Kein Gräschen wagte sich über ein anderes zu erheben und die Mehrheit der Häuser war mit einem Schild „for sale“ (zum verkaufen) geziert. Diese Wohngegend, obwohl für uns eine Augenweide, war wohl nicht mehr sehr beliebt. Das Land schien im Ausverkauf zu sein! Doch es war nicht hier, wo wir uns in die Leute und den Ort verliebten und wir gedachten für immer hier zu bleiben...


Karin wollte am nächsten Tag, während der langen Abfahrt zurück an die Küste, eine Abwechslung und überredete Sem eine Wanderung zu machen. Doch nachdem sich ein kleines, wurmartiges Ding an Sems Bein festsog und es sich als Blutegel erwies, war die Wanderlust bei Sem endgültig vorbei. Schnell sprang er zurück aufs Pino, wo seine Beine einen sicheren Abstand von Kleintieren haben.
 
In Innisfail waren wir so hungrig, dass wir den Woolworths stürmten, uns 1 Kilo herunter geschriebener Kartoffelsalat, ein grosses Joghurt und Kekse erstanden und alles sogleich verschlangen. Dann pedalten wir zum Camping, um uns nicht verstecken zu müssen. Wir glaubten es kaum – für unser kleines Zelt, das keinen Strom benötigte, verlangten die Besitzer 26 australische Dollar (1 AUD = 1 CHF). Wir blieben trotzdem, badeten dafür übermässig lange im Swimming Pool und benutzten ausgiebig die Campingküche. Es war unser erster und letzter Campingplatzaufenthalt bis in den Juni hinein.

 
In der Zwischenzeit waren wir nämlich Besitzer einer Karte von Queensland, die alle Restareas anzeigte, wo man gratis das Zelt aufstellen und übernachten konnte. Das war natürlich genial für uns – meistens hatte es dort Toiletten, Bänke und Tische, ein Dach darüber und ab und zu auch eine Kaltwasserdusche. Obwohl wir von einigen Australier vor ihnen gewarnt wurden, befreundeten wir uns an solchen Orten oft mit „grey nomads“ (grauen Nomaden), pensionierte Australier, die ihren ganzen Besitz verkaufen, sich einen Wohnwagen oder einen grossen Camper erstehen und monate- bis jahrelang ihr liebes Land bereisen.
 
Tully ist berühmt – im Jahre 1950 regnete es im ganzen Jahr 7.9 Meter! Dies ist der australische Regenrekord und der Ort vermarktet das nass vom Himmel, indem sie einen goldenen Gummistiefel aufstellten, der die Höhe von 7.9 Meter hat. Als wir am 23. Januar 2008 einfuhren, regnete es noch nicht, doch kaum waren wir unter dem Dach des Supermarkters, öffneten sich die Schleusen im Himmel. Wir nutzten die Zeit für ein Picknick und lernten dabei „Crocodile Dundee“ kennen. Er, 1959 aus Deutschland kommend, arbeitete als Krokodilljäger und von ihm lernten wir auch, dass wir beim eventuellen campen bei Krokis einen Feuerring um uns herum anzünden müssten. Oft hätte nur ein solcher ihnen das Leben gerettet, wenn sie am Morgen die Krokodillspuren ausserhalb des Ringes zählten. Mit einer so guten Information gewappnet, pedalten wir im Regen weiter. Der grobe, australische Asphalt half nicht gerade schnell zu sein und seit Tagen wehte uns ein konstanter Gegenwind ins Gesicht.  Was für einen anderen Kontakt wir hier in Australien zu den Menschen haben konnten. Da ein jeder englisch sprach, wurden unsere Pausen durchs Reden mit Aussies immer länger. Es waren gerade die „Australian Open“ angesagt und so war ein Hauptgesprächsgrund unser Hero Roger Federer. 

Gummistiefel

 
Eine ältere Dame findet Roger „a nice bloke“ - und als sie uns nach einem längeren Schwatz verlässt, zwinkert sie Karin zu und meint „and he is good looking too!“ ;-)  - („u är gseht ou no guet us!“)
 
Trotz des Gegenwindes war es zwei Tage später so heiss, dass wir eine Tankstelle betraten, um uns was Kühles zu kaufen. Kaum waren wir drinnen, sagte die Angestellte auch schon: „Ah, euch habe ich gesehen, gestern – das müsst ihr gewesen sein. Ihr habt gerade dem euch überholenden Lastwagen den Finger gezeigt!“ Ruhe! Sem schaute Karin an, Karin schaute Sem an. „Hast du einem Lastwagen den Finger gezeigt“, raunte Sem zu Karin. „Ja“, tönte es leise zurück – „ich auch“, meinte da Sem nur. Da hatten wir also synchron so einem LKW-Fahrer den Finger gezeigt und waren erst noch auf frischer Tat ertappt worden. Das ganze erklären, dass dieser Idiot kein bisschen ausgescherrt habe und sogar noch Gas gegeben hatte, liess die Angestellte nur grinsen. Trotzdem verkaufte sie uns einen kalten Schoggidrink und sass einige Minuten später mit uns auf der Bank vor ihrer Tankstelle.
 
Christmas Creek - Weihnachtsbach

In Queensland führt die Strasse oft mit einer Brücke über einen der unzähligen Creeks (Creek = Bach/Fluss). Jeder Creek besitzt einen Namen, der auf einer hübschen Tafel angeschrieben ist. Wir wurden hungrig bei Namen wie „Breakfast Creek“,  schmunzelten immer wieder über spannende Namen wie „Mistake Creek“ oder über den oft vergebenen, gefährlichen „Alligator Creek“. Wir dachten uns Geschichten aus zu unheimlichem, wie „dead man’s creek“ und langweilten uns, wenns  nur vom „two miles creek“ zum „three miles creek“, dann zum „four miles creek“ und bis zum „eleven miles creek“ ging. Am 25. Januar überfuhren wir den „Christmas creek“, wo das Namenstäfelchen hübsch mit Lametta geschmückt war.


In der nachfolgenden Ortschaft Bluewater wollten wir uns einige Pommes Frites erwerben, als uns die gestresste Angestellte mitteilte, dass die Küche schon geschlossen sei, denn am Abend werde Weihnachten gefeiert. Wir staunten nicht schlecht, fanden aber nicht heraus, wieso hier am 25. Januar Weihnachten gefeiert wurde und spekulieren heute immer noch ob dies wohl einen Zusammenhang mit dem „Christmas Creek“ hat.
 
Statt Pommes gab es dann halt einen Sack Chips und wir verzogen uns auf die Restarea auf der anderen Strassenseite. Von dort waren es am nächsten Tag nur noch etwas mehr als 35 km bis nach Townsville, in die Stadt, die mit einer „laufe-entlang-historischer-Gebäude“-Tour wirbt, worauf wir uns sehr freuten.