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Laos   -   01. April 2007 - 05. Mai 2007


Bombenstimmung in Laos 
 
Laos, 1. April bis 10. April 2007
 
Strecke: Lao Bao – Savannakhet – Thakek – Vientiane

 

Wir schafften es noch vor der allergrössten Hitze über die Grenze nach Laos. Zwar wollte der Zöllner einen Zusatzdollar, weil es Sonntag sei, aber den bezahlten wir natürlich nicht. Stutzig wurden wir aber, als wir sahen wie einfach es für Thomas, ein deutscher Reiseradler, war ein Visa on arrival zu bekommen. Und als wir vernahmen, dass er nur 30 USD für 30 Tage Aufenthalt bezahlte, wurden wir auch ziemlich sauer. In Danang hatte Sem 48 UDS pro Pass für unseren 30-tägigen Laos-Aufenthalt hin geblättert und der Konsular hatte auch noch behauptet, dass es an der Grenze gleich teuer sei. So stiessen wir unsere Fahrräder eher in Missstimmung an den Grenzpolizisten vorbei.
 

Nach dreitägigem Umprogrammieren unserer Köpfe, dass wir halt jetzt nicht nach Ho Chi Minh radelten, sondern nach Laos, freuten wir uns eigentlich auf dieses Land. So viele andere Traveler hatten uns schon vorgeschwärmt von der relaxten Atmosphäre und der Gemütlichkeit in diesem Binnenland. Aber für Karin war es vorerst mal einfach zu heiss und Hitzepause war angesagt. Bei ein paar herum sitzenden Männern, Förster, wie sich später heraus stellte, bekamen wir drei Stühle im Schatten. Schon seit Hue waren wir nämlich zu dritt. Thomas, der oben erwähnte deutsche Reiseradler, leistete uns Gesellschaft und entschloss sich spontan uns nach Laos zu begleiten. Sem machte seine ersten Laotischübungen, Thomas liess das relaxte Klima auf sich wirken, während Karin nur heiss hatte.

Sem, Karin und Thomas


Es schien wirklich ganz angenehm zu werden, denn die Förster sassen stundenlang mit uns im Schatten, anstatt zu arbeiten und im Garten ihres Bürogebäudes hingen etwa 15 Hängematten. 
 
Erst als es kühler wurde und die Sonne nur noch über dem Horizont stand, fuhren wir los in dieses neue Land. Die Strasse war gut asphaltiert und es hatte gar keinen Verkehr – kein Auto, kein hupender Bus, kein Motorrad – extrem verkehrsarm. Ab und zu kamen wir bei einem Dorf vorbei, wo alle Häuser noch aus Naturmaterialien gebaut sind und auf Stelzen stehen. Die Kinder versammelten sich zuhauf am Strassenrand um uns zu winken und „Sabaidee“ zu rufen. Sowas hatten wir noch nie erlebt. Auch das allerkleinste Kind streckte seine Hand entgegen und piepste so laut es konnte sein „Sabaideeeee“. Wir waren überwältigt, gerührt und hatten es richtig streng mit zurück winken und rufen. Thomas, der schon in Kambodscha gewesen war, wo es ähnlich sein soll, war das nur recht, dass wir am Winken der Kinder so Freude hatten. So musste er seine Hände nicht vom Lenker nehmen.
 

Als es dunkel war pedalten wir weiter. Wir hatten annähernd Vollmond und wegen dem mangelnden Verkehr und den angenehmeren Temperaturen liessen wir unsere Räder rollen. Weiterhin ging es über Hügel und an kleinen Dörfern vorbei. Viele Häuser, ja ganze Dörfer, hatten keine Elektrizität und es brannten höchstens ein paar Feuer. Es gab aber auch Dörfer, wo es schon einen oder zwei Fernseher hatte und sich dann die ganze oder die halbe Dorfbevölkerung um diese herum versammelten.
 
Irgendwo sahen wir im Schein des Mondes einen Trampelpfad, dem wir folgten und der uns zu einer kleinen Wiese führte, wo wir unser Zelt aufbauten und mit den Eindrücken dieses ersten Laostages in den Schlaf hinüber glitten.
 

In den nächsten Tagen gewöhnten wir uns schnell an unseren neuen Tagesablauf von frühem Aufstehen, um der Sonne zu entweichen – wir hatten mehrere Tage mit 50 Grad Celsius – dem im Schatten schmorren über den Mittag und dem weiter Pedalen in die Nacht hinein. Die laotische Szenerie von kleinen Dörfern, ausgetrockneten Reisfeldern, winkenden Kindern und abgebrannten Feldern blieb sich die folgenden Tage ziemlich gleich.
 
In einem Dorf halten wir, weil wir endlich einmal ein Foto von den winkenden Kindern schiessen wollten. Aber kaum stoppen wir, rennen die Kleinen davon. Wahrscheinlich halten nicht oft „Falangs“ (Name für Ausländer, abgeleitet vom französichen „francais“) in ihrem Dorf.

typisches Lao-Haus

 

Beim Trinken eines Schluck Wassers entdeckt Karin zwei Frauen mit einem Gerät, das aussieht wie ein langer Metallstock mit Teller unten daran. Für Karin ist klar, dass die Frauen mit diesem Teil auf Metallsuche sind. Und auf was für Metallsuche? – Ja klar – auf Bombensuche. Man kann ja in jedem Reiseführer lesen, dass Laos, mit Vietnam und Kambodscha, eines der meist verbombten und verminten Länder der Welt ist. Die zwei Männer, Sem und Thomas verdrehen ab Karins Behauptung natürlich nur die Augen (typisch Frau – versteht doch nichts von Bomben und so...) und schenken ihr keine Beachtung. Auf Karins Drängen bleiben wir stehen und schauen zu, wie die Frauen durchs Dorf spazieren. Die halbe Kinderschar folgt ihnen und als das Gerät mitten im Dorf laut piepst, bleiben die Kinder rund um die Frauen herum stehen.
 
hier sind die Frauen am graben

Sem will natürlich auch schauen gehen, um der nicht glaubenden Karin zu beweisen, dass diese zwei guten Frauen auf Altmetallsuche seien. Karin lässt sich überzeugen und wir zwei gesellen uns zu den Kindern. Während wir mit den Kinder sprechen, hacken die zwei Frauen fleissig mit einer Hacke den Boden auf. Keiner scheint daran Anstoss zu nehmen, bis man den Klang von Metall auf Metall vernimmt. Unterdessen erkundigt sich Sem zwar, ob das Ding in der Erde „bumm“ machen würde und all die Kinder, wie auch die Frauen bestätigen laut lachend „bumm, bumm, yes, bumm...“. Da wird es Karin aber definitiv zu mulmig und als die Frauen im gleichen Moment die Kinder mit der Hand wegscheuen, rennt Karin wie von der Tarantel gestochen davon. Sem, immer noch im Glauben, dass das doch nur Ungefährliches sein kann, entfernt sich nur zögerlich.
 
Karin hat unterdessen Schweissausbrüche und brüllt Sem von der Strasse her an, dass er subito zu ihr kommen soll. Thomas, unser Mitradler, beobachtet die ganze Szene nur grinsend. „Wie Frauen sich auch aufführen können...“ Mittlerweile wendete sich das Interesse der Kinder uns und unserer Digitalkamera zu und wir vergessen die ganze Metallsuch- und Hackgeschichte. Nach längerem Spielen mit den Kindern will Sem aber doch noch nachschauen gehen, was nun mitten im Dorf unter der Erde ausgegraben wurde. Das Loch ist nur noch ein Loch. Doch ein Mann entdeckt Sem und winkt ihn zu sich. Bei einem kleinen Häuschen mit Strohdach fasst der Mann mit seiner Hand hinein und zeigt Sem stolz die kleine, soeben ausgegrabene, undetonierte Bombe aus dem Vietnamkrieg. Etwas blasser als sonst kehrt Sem zu Karin und Thomas zurück und stammelt nur langsam hervor, dass es tatsächlich eine Bombe war!
 
 
Nachtrag von Karin, die wie von der Tarantel gestochen weg gerannt ist: Auch den zwei Herren ist diese Geschichte ziemlich eingefahren. Thomas begann am Abend das Thema anzuschneiden und immer wieder sprachen wir die nächsten Tage über dieses Erlebnis. Am Abend bei der Suche des Campingplatzes denkt ein jeder an die unter der Erde liegenden Bomben und ob du heute fest Auftreten sollst wegen den Schlangen, oder doch sanft über die Erde gehst, wegen den Bomben.
  
Nachtrag von Sem, der erst nicht an die Bombe glaubte: Das Ding war echt! Und mittlerweile fanden wir heraus, dass es noch mehr Bomben im Lande gibt. Einer der grössten Arbeitgeber in Laos ist die landesweite Firma (UXO-Lao), die alte Bomben und Minen aufspürt.

Das Loch - die Bombe
 
Eines Abends waren wir mal wieder so richtig hungrig. In Laos war es gar nicht so leicht abseits der Touristenpfade zu gutem, verschiedenem Essen zu kommen. In den kleinen Orten konnten wir zwar immer Bananen kaufen oder auch sticky Reis, aber ab und zu will man doch nach nur Bananen auch wieder eine Abwechslung. Nudelsuppe liegt bei Sem nicht drin, da sie nicht vegetarisch ist und nach Monaten im Vietnam hat man zu Genüge Nudelsuppe gegessen. Wir hielten also in einem Ort, wo es Fressbuden gab. Die Laoten aber schüttelten nur den Kopf, wenn wir was zu essen bestellen wollten. Zwar hatten sie Reis in ihren Körben und auch Gemüse sahen wir, aber wahrscheinlich hatten die Laoten einfach Angst uns „Falangs“ nicht zu verstehen und so war die einfachste Variante den Kopf zu schütteln. Wahrscheinlich hielten halt nicht viele von unserer Spezie in ihrem Dorf. (Haben wir schon erwähnt, dass Thomas für sein Visa einen Zettel ausfüllen musste, wo er danach gefragt wurde, was er für eine Rasse sei?) Auf alle Fälle gaben wir nicht auf, obwohl Thomas schon ein weiteres Kilo Bananen essen wollte, wir hatten schliesslich Hunger. Wir fragten nach Reis, den wir auch bekamen und brachten es fertig in den Pfannen der Fressbude uns, unter den staunenden Augen der Fressbudenbesitzerin, einen Eintopf zu kochen aus Reis, Bananen und Kondensmilch – lecker, sehr süss und sehr sättigend.
 
Wie es bei dieser Fressbudenbesitzerin wohl ein nächster Ausländer haben wird!? Der nächste wird wohl staunen, wenn sie ihm einfach die Pfanne und die Kelle in die Hände drückt und ihn fröhlich anlächelt. – Wir sind dann ja nicht mehr dort.  
 
Wat in Savannakhet

Nach fünf ersten super heissen Laos Tagen erreichten wir Savannakhet, ein kleines Städtchen mit hübschen Kolonialbauten. Wir erholten uns vom strengen Pedalen, besichtigten zwei Wats und die Kirche, wuschen Kleider, tranken viele Zuckerrohrsäfte, schrieben einen Vietnambericht und genossen die, bis am Schluss von Laos, allerbeste Lao-Massage in schöner Ambiente und für nur 30'000 Kip (3 Dollar). 
 
Unsere Fahrt ging am 7. April, gegen Abend, weiter nordwärts auf der Strasse 13 in Richtung Vientiane, der Hauptstadt von Laos. Die Strasse führte weiterhin über leichte Hügel – ein Autofahrer würde wohl behaupten, dass es flach sei. Leider war es immer noch tagsüber um die 45 Grad Celsius und in der Nacht schien der Mond nicht mehr – Wortlaut Thomas: “Es ist stockduster.“ So war schon früh Tretpause und wegen der langen Hitzepause über den Mittag, die nur Karin wirklich benötigte, kamen wir nicht gut vorwärts. Die Stimmung sank und Karin wollte auf den Bus. „Kein normaler Mensch fährt bei 45 Grad und mehr Fahrrad!“ sagte sie immer wieder. Doch Sem will nie auf einen Bus und so bedurfte es weitere drei Tage harter Auseinandersetzungen,

bis Sem endlich mit Karin den Bus in Na-Innok bestieg – oder besteigen wollte. Der Bus, der da stand, war aber schon rappelvoll. Alle Plätze waren einfach oder mehrfach besetzt. Ein Fernseher und mehrere Säcke mit jensten Dingen versperrten den Mittelgang und nur unten im Bus war noch ein bisschen Platz frei. Tja, dann müssen wir halt auf den nächsten Bus warten, dachten wir. Aber nein, der Buschauffeur und der Kontrolleur redeten miteinander und entschieden, dass ein Teil des Gepäcks ins leere Gepäckfach kam und dass wir die Fahrräder in den Bus hinein nehmen sollten. Ja aber – wie denn nur? Laotisch halt – einfach rein, irgendwie auf alles andere drauf und Türe zu – wir staunten ab dieser Unkompliziertheit der Busleute. Wir hätten wahrscheinlich zehn sein können und die hätten uns einfach eingepackt. Am schönsten war, dass sich überhaupt niemand aufregte oder streng auf die Uhr schaute, da die Fahrt halt einfach so lange dauert bis sie zu Ende ist und im Bus soviel mitfährt, wie Platz hat.
 
So fuhren wir im überladeten Bus spät in der Nacht in Vientiane ein. Die ganze Stadt war natürlich schon lange am Schlafen und wir fanden kaum heraus, wo das Zentrum war, denn Busbahnhöfe sind ja meistens ausserhalb. Endlich im Stadtinnern angekommen, war jenes eine Baustelle. Die Hauptstrasse war aufgerissen, wir schoben unserer Velos über Erdwälle und fragten uns, ob wir wohl noch ein Bett für den Rest der Nacht finden würden.
 
Das Anklopfen beim ersten Gasthaus nützte nichts, auch beim zweiten öffnete niemand die Türe, erst beim dritten schaute eine finster drein blickende Dame heraus – und als sie unsere Fahrräder entdeckte, versuchte sie uns gleich weg zu schicken. „Other guesthouse“ raunte sie hervor. Zu einer anderen Stunde hätten wir zurück geschnauzt und wären weiter gezogen, aber zu dieser Uhrzeit blieben wir hart, schoben unsere Velos hinein, erklärten der Frau, dass wir bei ihr ein Zimmer nehmen und konnten für den Rest der Nacht doch noch eine Mütze voll Schlaf finden.