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China   -   20. November 2006 - 22. Dezember 2006


Ohne Velo

China, 27. November bis 17. Dezember 2006

Strecke: Urumqi – Liuyuan – Jiayuguan – Xi’an – Chongqing – Yangtseefluss – Yinchang – Guilin – Nanning


Mit dem Verschicken unserer Fahrraeder wurden wir also zu Rucksackreisenden, oder besser gesagt, Seesackreisende. An diesen Status mussten wir uns zuerst gewoehnen. Nun waren wir gar nichts mehr spezielles, sondern inmitten anderer Traveller und abhaengig von Zuegen, Bussen, Schiffen, Fahrplaenen und Hotels. Auch „ richtiges" Sightseeing waren wir uns nicht gewoehnt.

Die erste Feuerprobe stand bevor, hatten wir doch schon soviel gelesen ueber die Probleme, die man habe ein chinesisches Zugsbillet selber am Schalter zu loesen. So wagten wir uns in die Schalterhalle und die war uebervoll. Wir wussten wirklich nicht, was wir tun sollten. Bei welchem Schalter sollten wir nur anstehen? Die Schlangen waren sehr lang. Aber wir waren echt gut – in 25 Minuten besassen wir die Tickets fuer nach Liuyuan. Und wie hatten wir das hingekriegt? Ach, wir gingen mit unserem chinesischen Zettel, auf dem uns unser Host David fein saeuberlich in chinesischen Schriftzeichen das wichtigste aufnotiert hatte (Zugnummer, Datum, Ort etc.) zum Schalter mit der kürzesten Schlange, wo wir innerhalb weniger Augenblicke vorne am Schalter waren, unseren Zettel durchs Fenster schoben und laechelten.

Die Frau nahm den Zettel, sagte, dass wir bei ihr falsch seien und spazierte mit dem Zettel hinter dem Schalter durch zu einem Kollegen, bei dem es eine Riesenschlange hatte. Wir durften alle ueberholen und schon hatten wir unsere Tickets. Ging doch fix!

Um auf einen chinesischen Zug zu gelangen, muss man im Wartesaal in dem Teil sitzen, der extra fuer deinen Zug gekennzeichnet ist. Vorne an den Baenken hat es ein Tor und erst wenn der Zug aufgerufen ist, oeffnet sich das Tor und man wird nach Vorzeigen des Tickets aufs Perron gelassen. Natuerlich entsteht ein riesiges Gedraenge, sobald der Zug angesagt wurde. Jeder Chinese will als erster auf dem Perron sein. Viele, weil sie nur hard-seat-without-seat-Tickets haben und sich so einen Sitzplatz erhoffen. In China gibt es die Moeglichkeit, dass man entweder soft-sleeper, hard-sleeper, soft-seat, hard-seat oder hard-seat-without-seat Billets kauft. Das letztere heisst, dass man auf den Zug gelassen wird, aber keinen Sitz hat. Ja, auch wir reisten mal 20 Stunden im Zug ohne Sitz. Da steht man im ueberfuellten Wagen mit x anderen, die auch stehen oder man sitzt am Boden, auf den vorher schon reichlich gespuckt wurde.

  unterwegs mit der chinesischen Bahn

Von Liuyuan fuhren wir durch die Wueste mit dem Bus nach Dunhuang. Vor 1500 Jahren lebten dort, mitten in der Wueste, in der Nähe des Oasenortes Dunhuang buddihstische Moenche in bis zu 500 Kloestern. Sie gruben aus dem dortigen Felsen Grotten, die sie mit Statuen, vor allem Buddhas und Gemaeldern bestueckten. Zehn dieser 492 Grotten durften wir besichtigen und wir waren beeindruckt von den schoenen Zeichnungen und der Vielfalt der Buddhas. In einer Grotte fand man sehr alte Schriftrollen und Bilder auf Seide, Stoff und Holz. Heutzutage sind dies Zeugnisse von Kunst, buddhistischer Lehre und Alltagsleben in jener Zeit.

Unser naechster Sightseeingstopp war in Jiayuguan. Wir besichtigten das Westende der grossen chinesischen Mauer und eine gut erhaltene Festung. Da diese Sights ausserhalb der Stadt sind und es keine oeffentlichen Busse dorthin hat, mieteten wir uns einen Taxifahrer und wir fuehlten uns ziemlich wichtig einen eigenen Chauffeur zu haben…


Beim Gedraenge beim Ticketkauf fuer die Weiterfahrt geschah das Unglaubliche. Uns wurde die Digitalkamera gestohlen, die Sem an seinem Guertel angehaengt hatte. Sem bemerkte es sofort, noch waehrend wir am Schalter standen. Er sagte es einigen Militaers, die in der Schalterhalle standen. Ohne zu zoegern packten sie Sem in ein Taxi und verfolgten irgendein anderes Auto. Doch alles ging zu schnell und Sem wusste wirklich nicht, ob es dieser Mann war, den sie am Verfolgen waren. Ohne Kamera kam er zurueck zum Bahnhof. Und dann begannen die langen sechs Stunden auf dem Polizeiposten. Im ganzen beschaeftigten sich etwa zehn Polizisten mit uns, einer fotografierte alles, der andere schrieb alles auf, einer brachte Tee, der vierte konnte dann englisch, der fuenfte kopierte den Pass, der sechste konnte entlich besser englisch als der vierte und die anderen vier waren auch noch dabei. Gegen Mitternacht war dann endlich der englische, von Karin selbst verfasste, Polizeirapport fertig. Wir erhielten ihn aber nur, wenn wir das auf chinesisch nieder geschriebene 5-seitige Verhör mit unserer Unterschrift und darüber unserem Daumenabdruck als richtig bezeichneten. Du meine Guete und wie haetten wir die chinesischen Schriftzeichen verstehen sollen? Wir wollten nichts unterschreiben, schon gar nicht etwas, das wir nicht lesen konnten und von dem wir keine Kopie bekommen wuerden. Aber nur gegen Unterschrift mit Daumenabdruck gab es den Polizeirapport und den brauchten wir fuer die Versicherung. Wir schauten uns gegenseitig an, hofften, dass die chinesischen Zeichen wirklich bedeuteten, dass uns die Kamera gestohlen wurde, drueckten unseren Daumen in die rote Farbe und unterschrieben so das chinesische Papier.

Ja, was haetten wir auch tun sollen, am 30. November 2006 um Mitternacht auf dem Polizeiposten in Jiayuguan?

Terrakottaarmee  

In Xi’an durften wir bei Louis wohnen. Er wohnt erst seit kurzem in China und arbeitet als Englischlehrer. Die ersten zwei Tage suchten wir eine neue Digitalkamera und fanden die gleiche, die wir schon hatten, nur mit mehr Funktionen. Dann machten wir Sightseeing. Wir fuhren mit einem Tandem (jeh, endlich wieder Velo fahren) auf der gut erhaltenen Stadtmauer einmal um die Stadt herum. Wir besichtigten ein altes, chinesisches Haus, liefen durchs muslimische Quartier, vergasen auch nicht den Bell Tower und den Drum Tower zu besuchen, waren leider erst nach der Schliessung bei der Moschee und fuhren natuerlich zur Terrakottaarmee.

Die Terrakottaarmee ist nebst der chinesischen Mauer die Hauptsehenswuerdigkeit Chinas und wird nebst vielen anderen auch als eines der sieben architektonischen Weltwunder der Vergangenheit betitelt. Da hat ein Kaiser namens Qin Shi Huang, 246 vor unserer Zeit sich fuer sein Leben nach dem Tod eine Armee aufstellen lassen, die ihn auch im Grabe beschuetzt. Man fand drei Gruben mit lebensgrossen Soldaten, Pferden und Streitwagen aus Ton in Kriegesaufstellung.


Doch bevor wir dies besichtigen konnten, mussten wir noch dorthin gelangen. Wir wollten zuerst mit einer Tour die Terrakottaarmee besuchen gehen, doch dann entschieden wir uns dagegen und versuchten auf eigene Faust zu den Ausgrabungen zu gelangen. Am Bahnhof fanden wir mehrere Kleinbusse, auf denen stand, dass sie zur Terrakottaarmee gingen. Kaum tauchten wir auf, wurde auch schon um uns gekaempft. Wir entschieden uns fuer einen Minibus und stiegen ein. Zuerst ging es ewigs bis er losfuhr, doch dann wurde Gas gegeben. Der Fahrer fuhr halsbrecherisch und der Ticketverkaeufer war eine Kampfsau, der fuer jeden Fahrgast kaempfte, indem er die Leute durch rufen und zerren ins Buesli verfrachten wollte. Leute stiegen ein und aus, teilweise hatten sie riesige Saecke dabei und es ging auf schlechten Strassen durch Doerfer und durch Felder. Sem reklamierte vor sich hin. „Also wie der faehrt, dem sollte man den Fahrausweis entziehen, schau wie der die Leute in unser Bus zerrt, also so was, uh dies Loecher in der Strasse, ob wir wohl ans richtige Ort fahren? Jetzt kommen noch mehr Saecke in unser Bus, man hat gar keinen Platz mehr zum sitzen etc…" Doch oh Wunder, unsere 7-Yuen-Minibusfahrt endete tatsaechlich bei der Terrakottaarmee. Wir waren beeindruckt, fanden den dreidimensionalen Film ueber die Entstehung und Entdeckung der Armee gelungen, fotografierten mit Blitz, obwohl dies natuerlich verboten war, bestaunten einen bronzenen Streitwagen und einen raffinierten Sonnenschirm im Museum und waren Touristen inmitten vieler Touristen.

Anschliessend ging es per Minibus zurueck zum Bahnhof, wo wir den Zug nach Chongqing bestiegen. Muede vom Sightseeing legten wir uns in unsere hard-sleeper und traeumten vom soeben gesehenen Weltwunder. Doch wisst ihr, was Sem kurz vor dem Einschlafen zu Karin hinueber raunte? „Weißt du was? Das Beste heute war die Busfahrt - zur Terrakottarmee…"

Die naechsten drei Tage verbrachten wir auf einem Schiff auf dem Yangtseefluss. Leider war es sehr kalt und neblig, so sahen wir vom beruehmten Yangtsee nicht soviel. Karin lag in ihrer Koje mit Grippe und Fieber, so war es nur Sem, der die kleine-drei-Schluchten-Tour mitmachte. Kaum zurueck wurde auch er krank. So seuchten wir vor uns hin. Zum Abschluss der Schiffsreise besuchten wir noch die "groesste Staumauer der Welt" und damit das Drei-Schluchten-Damm-Projekt. Mit 2310 Meter Länge und 185 Meter Höhe gehört sie zu den grössten Talsperren der Erde und ist die längste von ihnen.

Die letzten vier Tage verbrachten wir in Guilin – dem schoensten Ort in China, so sagt man. Per Zufall entdeckten wir die Jugendherberge und quartierten uns auch sogleich dort ein. Spannend war es wieder einmal auf andere Traveller zu treffen und sich auszutauschen. Guilin besucht man vor allem wegen den Naturschoenheiten, die es dort hat. So haben die umliegenden Huegel spezielle Formen und die Chinesen gaben ihnen passende Namen. Der elephant trunk hill, ein Berg, der aussieht als wuerde ein Elefant im Fluss trinken, oder der camel hill, der, wie sein Name verraet, aussieht wie ein Kamel, hatten es uns angetan. Im Seven Star Park sahen wir eine Pandabaerin und lasen erstaunliches ueber sie. Eine Pandabaerin isst 14 Stunden am Tag, schlaeft 8 Stunden am Tag und hat noch genau 2 Stunden uebrig fuer anderes. Das ist ein Leben! Geschlechtsreif sind sie genau 3 bis 5 Tage im August und dann ein ganzes Jahr nicht mehr. Ups, das braucht aber ein Timing.

  der grosse Elefant von Guilin


Im Solitary Beauty Park, eine Stadt in der Stadt, in der in frueheren Dynastien Prinzen gewohnt haben, bekamen wir unsern eigenen Guide. Sie erklaerte uns auch, wie das chinesische Horoskop aufgebaut ist und so fanden wir heraus, dass Karin ein Hase und Sem ein Drache ist.

Am Nachmittag des 14. Dezember 2006 bestiegen wir den Zug nach Nanning. Leider kamen wir zu spaet an, um noch unsere Fahrraeder zu holen. Erst am naechsten Morgen nahmen wir unsere Velos, die wohlbehalten in Nanning angekommen waren, in Empfang. War das schoen, das Velo wieder zu haben.

Das nächste Schöne erfuhren wir am 16. Dezember: Sem wurde am 12. Dezember 2006 zum achten Mal Onkel. Wir feierten die Geburt von Anina Diara mit gutem chinesischem Essen und einem Joghurtdrink. Mit Festli feiern und diversen Erledigungen vergingen die Tage in Nanning. Wir wollten ein Moskitonetz kaufen, da wir ja jetzt in Malariagebiet kamen, suchten neue Wanderschuhe fuer Sem – und fanden die gleichen, die er schon hatte – und kauften helle Kleidung, da helle Kleidung anscheinend Moskitos nicht anziehe. Doch das abwehrende und schützende Moskitonetz fanden wir nicht. Hmm - hoffentlich müssen wir nicht bald über Malaria schreiben.