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Deutsch Berichte Usbekistan |
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Usbekistan - 18. September 2006 - 15. Oktober 2006
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Der Usbeke
Usbekistan, 4. Oktober bis 15. Oktober 2006
Strecke: Samarkand - Jizzakh - Kharast - Taschkent - Grenze Usbekistan/Kasachstan
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Mit Hilfe zweier Jungs – der eine sprach deutsch – managten wir die Ausfahrt aus Samarkand heraus, in der Erwartung, dass bis Taschkent links und rechts der Strasse nur Baumwollfelder zu sehen sein werden. Unser intelligenter Reisefuehrer erzaehlte dies. Doch dem war nicht so. Die Landschaft war viel abwechslungsreicher. Tomaten, Gurken, Mais und Ruebli werden genau so angebaut. Die Strasse fuehrte nicht nur topfeben durch das Land, nein, es ging hinauf, hinunter und sogar durch eine Schlucht. Aber davon nun genug, ein Land lebt ja von der Bevoelkerung.
Der Usbeke ist - nach unserem Ermessen, ein grober Geselle. - Also zumindest ihre Sprache ist es. Wenn du ihnen zuhoerst denkst du, dass sie wuetend aufeinander sind. Sie reden so laut und ihre Gestik wirkt boese. |
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Es kommt auch ganz oft vor, dass sie sich gegenseitig schubsen, pruegeln und was nachschmeissen – Wir haben ja zum Glueck unseren Helm auf! Uns bruellen sie immer das "aguda" entgegen. Das heisst: "Woher seid ihr?" Keine Begruessung vorher, keine Frage danach, nur „aguda!“. Das ist das einzig wichtige. Wir waren schon von ueberall, manchmal sagen wir Liechtenstein, oder Usbekistan (ein Riesengelaechter bei den Usbeken), Sem brachte ihnen auch schon bei, dass wir von Polen seien - ein Problem darin bestand nur, dass Polen doch russisch koennten und wir nicht, tja, die Usbeken haben es nicht bemerkt. Von Afrika waren wir auch schon, hi, hi. Meist glauben sie uns, was wir ihnen erzaehlen und laecheln uns mit ihren goldenen Zaehnen entgegen. Meist seien gar keine Loecher darunter verborgen. Nein, goldene Zaehne ist ein zentralasiatisches Schoenheitsideal. Ob aufgrund der goldenen Zaehne die Usbeken so oft in der Gegend herum spucken muessen, haben wir noch nicht heraus gefunden. Die Spucke landet aber nicht immer auf dem Boden. |
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Nach strengen Kilometern stoppten wir am Strassenrand um einige Schluecke Wasser zu trinken. Just an diesem Ort waren Frauen am Aepfel verkaufen. Die Aepfel waren wunderbar aufgeschichtet und glaenzten wie ein frisch lackiertes Velo. Es ging nicht lange und uns wurden zwei Aepfel geschenkt. Mmh, war das eine Erfrischung. So setzten wir uns zu den Apfelfrauen und plauderten mit ihnen. Sie hatten nicht viel zu tun, dachten wir. Doch immer wieder hielt ein Auto. Die Frauen sprangen auf, rannten zu ihrem Apfelturm und uebertrumpften sich gegenseitig im feil bieten. Und wenn die Autos weg waren? Dann wurden neue Apfeltuerme gebaut. Dazu polierten sie ihre Aepfel – mit einem Tuch, mit Wasser aus dem Strassengraben - und wenn das dem Apfel nicht genug Glanz verlieh, wurde mit frischer Spucke nachgeholfen... – ups, warum hat wohl unser Apfel vorher so schoen geglaenzt!?
Nicht nur die usbekischen Aepfel glaenzen, auch ihre Hoefe, Einfahrten und Vorplaetze der Haeuser. Man denkt schon, dass ihr heimlicher Nationalsport wischen sei. Es werden naemlich nicht nur die asphaltierten Plaetze gewischt, nein auch die Erde (richtig gelesen – Erde) und der Rasen bleibt nicht davon verschont. |
Die Besen haben nur einen ganz kurzen Stiel – es muss also in gebueckter Haltung gewischt werden, was sicher nicht angenehm ist. Als wir bei einer Familie uebernachten durften, erwachte Sem fruehmorgens, hoerte, dass im Hof schon gewischt wurde, schaute auf Karins Haendi und sah, dass erst 5 Uhr morgens war. Er dachte nur, die spinnen die Usbeken – mit ihrem Wischen - und schlief noch eine Runde. Als wir dann zwei Stunden spaeter aufstanden – um 7 Uhr, stellten wir fest, dass Karins Haendiuhr noch die iranische Zeit hatte und es effektiv 9 Uhr war. |
In Taschkent hatten wir heimatliche Gefuehle, als wir in der Schweizer Botschaft waren. Das Gebaeude ist schweizerisch serioes und im Empfangsbereich liegen alle Telefonbuecher der Schweiz auf. Wir fuehlten uns richtig gut. Wir durften zwei Paeckli aus der Schweiz abholen. Sems Geburtstag lag einige Tage zurueck und wir erhielten auch Dinge fuers Fahrrad. Die Konsularin kuemmerte sich sehr gut um uns und erzaehlte uns einige Details ueber Usbekistan, dessen Bevoelkerung und Praesidenten. So erfuhren wir auch von dieser Seite, dass sehr viele Usbeken ihr Land gerne verlassen wuerden. Funktioniert doch vieles nur ueber Schmiergelder und Beziehungen zu den Regierungskreisen. So bezahlt zum Beispiel ein Zollbeamter gerne mal 2000 Dollar um an diesem Grenzposten arbeiten zu koennen, wo am meisten Leute durch kommen und er ihnen irgendwelche Gebuehren aufbrummen kann.
Schnell machten wir die Paecklis auf. Aber nicht nur die erwarteten Rueckspiegel fanden wir, da gab es auch Schoggi, Laeckerli, Fishermensfriends, Balisto, Schleckzeugs, Lakritze und T-Shirts... 1,2,3,4,5!!! – Und nun werden wir sogar beflaggt, mit einem Schweizerfaehndli, unterwegs sein. Werden wohl die Leute weniger „aguda“ rufen?
Zurueck in der WG, wo wir mit sechs jungen Usbeken zusammen hausten, war nach diesem ersten Taschkenttag erstmal Erholung angesagt. Wir waren in einem sowjetstyle Wohnblock untergekommen.
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Die Wohnung hatte drei Zimmer und eines durften wir mitsamt den Fahrraedern belegen. Die sechs Jungs im Alter zwischen 17 und 24 Jahren teilten sich die restlichen zwei Zimmer. Die meisten von ihnen studieren englisch oder haben schon abgeschlossen. Shuhrat arbeitet als Englischlehrer in der nahe gelegenen Schule. Wir durften bei ihm auf Schulbesuch gehen. Vorbereiten kennt er nicht. Er unterrichtet einfach aus seinem Lieblingsbuch, obwohl die meisten der Schueler ein anderes Buch haben. Die, die kein Buch haben, borgen es sich bei jemandem aus. Am Anfang der Lektion wird aufgestanden und der Herr Lehrer begruesst. Eintrudeln darf man aber auch spaeter. Der Unterricht ist auf usbekisch, da sie gemaess Shuhrat das Englisch eh nicht verstehen. Der Unterricht findet natuerlich nur dann statt, wenn der Herr Lehrer erscheint, dieser bleibt aber gerne mal zuhause und schlaeft aus... |
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In Taschkent entschieden wir uns jeden Abend noch einen Tag laenger zu bleiben. Hatten wir doch soviel zu tun: Chinavisum organisieren – die Botschaft war mega ueberfuellt, Berichte schreiben, Paeckli abholen, den Broadway hinauf und hinunter spazieren, Velosachen suchen (wie immer), Fotoapparat putzen lassen und als geniales Erlebnis besuchten wir fuer einen Dollar eine Balletauffuehrung im Stadttheater. Gezeigt wurde ein Potpourri verschiedener beruehmter Balletstuecke, Schwanensee inklusive.Am 15. Oktober verliessen wir Taschkent, pedalten die paar Kilometer zur Grenze Kasachstan und verliessen das uns ganz lieb gewordene Land. |
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