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Iran   -   25. Juli 2006 - 12. September 2006


Die Party...

Iran, 10. August bis 22. August 2006

Strecke: Tehran - Isfahan -Tehran

Kaum waren wir also bei unseren Gastgebern, assen etwas und wurden gefragt, ob wir mit an eine Party wollten. Ja natuerlich, was es denn fuer eine Art Party sei, fragten wir. Ah, zwei ihrer Freunde haetten vor einem Jahr geheiratet und haben kein Fest gemacht und nun holen sie dieses Fest nach. Wahrscheinlich gebe es eine legale Party. Legale Party, fragten wir uns nur, aber wir liessen uns ueberraschen, zogen uns irankonform an und ab gings mit dem Auto in den Norden Tehrans. Kaum hatten wir gelaeutet, oeffnete uns eine junge Frau in einem sehr elegant, hellblauen Abendkleid die Tuere - es war die Gastgeberin. Jadi raunte uns nur zu -"och, doch eine illegale Party!" Wir wurden sogleich allen anderen Gaesten vorgestellt. Wir Frauen wurden in einen Nebenraum geleitet, wo wir unseren Manteau und Kopftuch ablegen durften. Im Wohnzimmer waren alle Stuehle an den Rand gestellt, so dass in der Mitte ein grosser, leerer Raum war um zu tanzen. Wir machten uns mal schlau, was denn da nun illegal sei. Legal heisst, alle Frauen sind in einem Raum und die Maenner in einem anderen Raum. Betritt ein Mann den Raum der Frauen, muessen alle Frauen ihr Kopftuch, Manteau oder Tschaddor anziehen.

Popmusik ist sowieso illegal und tanzen auch. Falls Frauen und Maenner sich trotzdem im selben Raum befinden, ist dies nur legal, wenn man ueber Religion spricht, alle anderen Themen zwischen Frauen und Maennern sind Tabu. Was da an dieser Party abging, war nun wirklich oberstillegal: Frauen und Maenner in einem Raum, die Frauen ohne Kopftuch oder Tschaddor, sondern in huebschen Roecken und Kleidern - eine Partyteilnehmerin trug sogar einen Minijupe und als sie ihr Manteau abzog, ging ein Raunen durch die Menge - Popmusik lief (leider immer nur die gleichen fuenf Lieder, da sie nur eine CD hatten von einem Iraner, der in Amerika lebt und Popmusik auf Farsi produziert) und es wurde getanzt. So was haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Die Irannerinnen und Iraner haben getanzt wie die Wilden, im Iranstyle. 

irankonform angezogen

Da wird mit der Huefte gewackelt, die Haende elegant rechts und links vom Kopf geschwungen, getaenzelt wie im Ballett und das coolste dabei ist, dass die Maenner voll dabei sind. Kaum ein Stuhl bleibt besetzt, die Stimmung ist ausgelassen und dies nur mit fuenf verschiedenen Liedern, Orangensaft, Wasser und einem grossen Fruechtebuffet, wo auch die Gurken nicht fehlten. Gurken werden im Iran zusammen mit Fruechten serviert. Schade, dass wir euch keine Bilder von dieser Party ins Netz stellen duerfen - aus Diskretionsgruenden natuerlich. Als Hoehepunkt der Party wurde Safraneis serviert und schon bald verabschiedeten sich die ersten Gaeste. Die Frauen huellten sich wieder in ihre Manteau und Tschaddors, die Haarpracht wurde unter dem Kopftuch versteckt und der iranische Alltag liess die Party wie ein Traum erscheinen.

In den naechsten Tagen in Tehran lernten wir noch viel ueber legale und illegale Dinge im Alltag. Es seien nur einige kleine Beispiele genannt: Musikinstrumente duerfen erst mit 18 erlernt werden, Parabolspiegel sind verboten (70% der Iraner haben einen), im oeffentlichen Bus fahren die Frauen hinten und die Maenner vorne (so sieht man auch nirgends eine Frau als Busfahrerin), es gibt viele nicht legale Buecher auf den Schwarzmaerkten, Alkohol gehoert auch mit zu den illegalen Dingen. Und da gibt es natuerlich die Kleidervorschriften: Frauen (ab neun Jahren) muessen ein Kopftuch tragen, sowie den Rest des Koerpers bedecken. Es gibt da mehrere Varianten. Entweder man traegt eine Hose und darueber ein Manteau. Dies ist eine Art Jacke oder Bluse, die bis oberhalb der Knie reichen muss. Natuerlich ist deren Schnitt nicht koerperbetont. Dazu traegt man ein Kopftuch oder ein kappenaehnliches Ding, das die Frauen als viel sicherer bezeichnen. Die andere Variante ist der Tschaddor: Ein grosses, meist schwarzes Tuch, das keine Knoepfe oder Reissverschluss hat. Aehnlich einem grossen Leintuch. Und mit dem haben sich die Frauen zu bedecken. Es wird ueber den Kopf und Koerper gelegt und vorne zusammen gehalten, so dass nur noch das Gesicht sichtbar ist. Jetzt stellt euch das mal vor. Mit diesem Tuch gehst du einkaufen. Du musst es zusammen halten, was die Frauen mit ihren Haenden, Ellbogen, Achseln und den Zaehnen tun, und dein Portemonnaie hervor nehmen. Oder du hast deine beiden Kinder dabei, na, gib denen mal die Hand und halte gleichzeitig deinen Tschaddor. Und immer wieder fragen wir die Leute, was passieren wuerde, wenn die Frauen das Kopftuch nicht tragen. Von zehn Tagen bis einem halben Jahr ins Gefaengnis reden die Iranis. Vor einiger Zeit gab es noch die Kleiderpolizei, doch zum Glueck existiert sie nicht mehr wirklich. Und man sieht auch die Veraenderungen: Bis vor zwei Jahren mussten die Iranerinnen noch Socken und geschlossene Schuhe tragen, heute siehst du ueberall nackte Fuesse und Sandalen. Die Hosen rutschen in die Hoehe, die Laenge des Manteau wird kuerzer und koerperbetonter, die Kopftuecher werden farbiger und lockerer getragen. Teils ist nur noch der Hinterkopf bedeckt. Und ab und zu faellt ein so locker getragenes Kopftuch auch mal runter auf die Schultern und wird erst nach einiger Zeit und nur ganz langsam wieder auf den Kopf zurueck gelegt. Manchmal hat man fast das Gefuehl, es sei ein Spiel – Kopftuch rauf, Kopftuch runter – und ob es wohl jemand bemerkt hat?

Die naechsten Tage in Tehran nutzten wir um jenstes zu erledigen. So gab es dank der Waschmaschine in unserem neuen Daheim endlich wieder eimal saubere Kleider. Sem hatte waehrend des Waschganges nur gerade noch die Badehose zur Verfuegung und Karin konnte sich auch nicht mehr iranisch normgerecht kleiden. So waren wir in den Wasch- und Trocknungszeiten richtig gehend in der Wohnung gefangen. Doch dann ging es ab in die Stadt. Wir uebten wie man shared-Taxi faehrt, wagten uns auch in den separierten Bus und so suchten wir wie immer Teile fuers Velo (Rueckspiegel, Staender und Pneus). Aber auch anderes hatten wir zu tun. Visumbeschaffung fuer Turkmenistan und die Besorgung von barem Geld. Dies erwies sich als sehr schwierig. Alle Banken, die wir anfragten, konnten uns nicht weiter helfen. Visa, MasterCard und TravelerCheck wurde nicht akzeptiert. Der Iran ist, aufgrund der Sanktionen, ein Bargeldland. So drohten wir finanziell auszubluten, doch zum Glueck liehen uns Leila und Jadi Millionen von Rials.

Isfahan - die halbe Welt

Auf Pump fuhren wir mit dem Zug nach Isfahan. Acht Stunden Zugfahrt im Couchette kosteten gerade mal 2.50 sfr. pro Person je Weg. Auch in Isfahan hatten wir das Glueck bei einer Hospitality-Club-Familie zu wohnen. Isfahan wurde uns schon anfangs Iran schmackhaft gemacht, mit dem Satz: Isfahan sei die halbe Welt. Ob dies wirklich so ist? Es ist schon eindruecklich auf dem Imam Square zu stehen. Mit seiner 512m Laenge und 163m Breite ist es der zweitgroesste Platz der Welt und er faszinierte uns mit seinen angrenzenden Bauten aus dem Safavid Reich. Drei Tage machten wir extrem hartes Sightseeing. Moscheen, Bazare, Palaeste und sogar Kirchen besichtigten wir. Am zweiten Abend lud uns unsere Gastfamilie ein, mit ihnen in die Berge zu gehen. Die Tochter Maryam und ihre Cousine gehen jeden Abend in die Berge. 
  

Etwa 20 Minuten ausserhalb der Stadt war der Hausberg. Unten hatte es grosse Becken fuer Wasser. Unsere Gastmutter erklaerte uns, dass dieses Wasser nach oben in den Berg gepumpt wird, damit jeder Freitag ein kuenstlicher Wasserfall den Berg hinunter fliessen kann. Das fanden wir schon unglaublich, befanden wir uns doch eigentlich mitten in der Wueste. Wir wanderten bis fast ganz hoch, genossen die Aussicht aufs naechtliche Isfahan und Sem spielte auf seiner Gitarre einige Lieder. Die drei Tage in Isfahan vergingen schnell und schon befanden wir uns wieder im Nachtzug zurueck nach Tehran. Und welch ein Glueck, lernten wir doch Markus, die Bank, aus Deutschland kennen. Er trug soviele Dollars mit sich herum, dass wir ihm einen ganzen Haufen davon abnehmen konnten. Dank Internetzahlung fuellte sich dafuer sein Konto in Deutschland.
 
Zurueck in Tehran begruessten wir als erstes unsere Fahrraeder und gingen dann mit den neuen Dollars auf Einkaufstour. Neuerdings fuhren wir nicht mehr Bus oder shared Taxi, nein, wir benutzten unsere Fahrraeder. Sem war begeistert - zwar herrschten die gleichen Regeln wie in der Schweiz, aber die Realitaet zeigte ein anderes Bild: Alles ist erlaubt, Rotlicht ueberfahren, in der falschen Richtung eine Einbahn hinunter rasen, ueber Gehsteige flitzen, rechts und links ueberholen. Am tollsten war aber, wenn wir den Mofafahrern Konkurrenz machten. Sem vorne auf dem Sattel, Karin hinten auf dem Gepaecktraeger... - So bekam Karin eine neue Liegematte, da die alte Therm-a-Rest Matte blasen bildete und Sem fand endlich einen Fahrradstaender mit Geschichte: Ein Japaner pedalte vor Jahren mit seinem Fahrrad von Japan in den Iran und verkaufte dort sein Fahrrad, der Staender davon ist nun erneut unterwegs in Richtung Osten. Auch das Turkmenistanvisa bekamen wir beim dritten Gang zur Botschaft fuer 32 USD pro Person.