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Iran   -   25. Juli 2006 - 12. September 2006


Motor, machine? Na, dotscharche!

Iran, 27. Juli bis 10. August 2007

Strecke: Qara Ziya’Eddin - Tabriz - Tehran 

In Shot machten wir einen Hitzehalt und kauften frisches Gemuese und Fruechte. Im Iran essen wir am Mittag meisten Brot, Gurken, Tomaten und ab und zu vom leckeren iranischen Feta Kaese. Als Dessert gibt es Fruechte. Anfangs Iran pedalten wir durch das Hauptanbaugebiet von Aprikosen. Es sind kleinere Aprikosen als in der Schweiz und ihre Farbe ist viel heller. Beim ersten Kauf denkt man, dass sie noch gar nicht reif sind. Aber sie sind supersuess und schmecken herrlich. Wir verschlingen sie kiloweise. Auch gibt es ueberall Melonen, eine Art Pfirsich-Nektarine, Pflaumen, Bananen und Aepfel. Seit es so heiss ist, bevorzugen wir Fruechte und leben somit so richtig gesund. Als wir aus Shot heraus fahren wollten, waren wir nicht sicher ueber den Weg. Also fragten wir – ui, gab das wieder ein Riesenauflauf. Unendlich viele Maenner um uns herum, die in irgendeine Richtung zeigen. Natuerlich jeder in eine andere. Wir entscheiden uns fuer eine Richtung, machen damit einige Maenner gluecklich und andere wuetend und versuchen aus dem Dorf hinaus zu fahren. Mit uns fahren etwa 15 Jugendliche auf Mofas und Fahrraeder. Sie fahren von rechts nach links und von links nach rechts, ueberholen sich gegenseitig, quatschen mit uns und sind so voellig unberechenbar.
 

in der iranischen Wüste

Ab und zu fordern sie Sem auch auf mehr Gas zu geben – sie begreifen nicht, dass wir nicht so schnell sind wie sie. Dies erleben wir durch den ganzen Iran. Motorradfahrer die neben uns her tuckern, uns von links und rechts ueberholen um einige Woerter mit uns – mit Sem zu wechseln. Bei den letzten Haeusern in Shot, wollten sie uns doch tatsaechlich noch auf den Bus verladen. Wir blieben aber sturr und schafften es in die Freiheit der Wueste. Da begann also unser erstes Wuestenerlebnis. Schon bald wurde es dunkel und wir waren mal wieder auf Schlafplatzsuche.  In der Wueste hat es nichts, wo man sich dahinter verstecken kann. Zum Glueck war die Wueste nicht flach, so konnten wir uns doch tatsaechlich hinter einem Berg verstecken. 


Am naechsten Morgen machten wir uns frueh auf, damit wir noch vor der grossen Hitze einige Kilometer in der Wueste weiter kamen. Ja, wir machten erste Erlebnisse mit Pedalen bei 44 Grad. Viele fragen sich wohl, wie man das macht. Wir fanden es auch heraus. Einfach so tun, als schlafe man auf dem Velo und einfach nur ganz langsam und gleichmaessig die Beine bewegen. Unbedingt viel trinken - so etwa alle drei Kilometer machten wir Trinkpause und wenn es gar nicht mehr geht - ab in den Schatten, den wir zum Glueck unter den Bruecken in ausgetrockneten Flussbetten fanden.

 

In Qara Ziya'Eddin  fragten wir bei einer Baustelle, ob wir unser Zelt aufstellen durften. Natuerlich durften wir - Iraner lieben zelten, so hatten wir im Iran nie Probleme einen Platz fuer unser Zelt zu finden. Wir durften natuerlich mitessen beim Z'Nacht und lernten, dass Iraner Kraeuter pur essen und es als Salat betiteln. Der Bauherr war aus Tabriz und schon blad hatten wir die Adresse der Familie und die Einladung in Tabriz bei ihnen zu uebernachten. Doch bis dahin hatten wir noch zwei Tage zu pedalen. Am naechsten Tag trafen wir Sara und Clemens aus A., die mit einem Landrover unterwegs waren und uns ihre Dusche auf dem Dach des Autos als Abkuehlung anboten. Ja, da duschten wir also open-air hinter dem Auto, nahe an der Strasse. Ui, wenn uns da die Polizei entdeckt haette...

In Marand mussten wir unseren Proviant aufstocken. Wir warteten bei einer Baeckerei auf frisches Brot, da hoerten und sahen wir auf der anderen Strassenseite ein Gerufe und Gewinke. Wir erkannten einen Tourenradler und tatsaechlich, es war Romulo aus Venezuela, den wir in Griechenland bei den Meteora-Kloestern getroffen hatten. Wow, war das ein tolles Wiedersehen. So waren wir von nun an zu dritt unterwegs. Gemeinsam pedalten wir weiter. Die Strecke stieg stetig an. Als wir unseren Mittagshalt machten, zogen sich die Wolken zusammen und es begann zu stuermen. Hatten wir Glueck, der Wind wehte von hinten - wir flogen die naechsten 40 Kilometer aufwaerts mit 15 km/h und abwaerts mit 55 km/h. Gegen Abend trafen wir somit in Tabriz ein. An einer Kreuzung streckten wir einem Passanten die Adresse der Familie in Tabriz unter die Nase. Sage und schreibe bis zu 50 Leute standen innerhalb einiger Minuten um uns herum.
 

mit Romulus aus Venezuela

Jeder hatte eine bessere Idee, wie wir zu unseren Freunden fanden. Ein Taxifahrer anerbot sich, uns voraus zu fahren. Unterwegs lud er noch Passagiere ein. So kamen wir sehr effizient zu unserem Ziel. Da bemerkten wir was wir fuer einen Gluecksgriff gemacht hatten. Die Familie wohnte in einem ehemaligen Konsulatsgebaeude und war stinkreich. Einen Swimmingpool im Keller, eine Hausangestellte, ein grosses Auto, einfach alles was dazu gehoert. Das Leben westlich ausgerichtet, das Kopftuch und die langen Kleider waren innerhalb der Mauern unnoetig. Wir verbrachten einen guten und staerkenden Tag bei unseren neuen Freunden in Tabriz. Der Familie machte es auch nichts aus, dass wir ploetzlich zu dritt waren.

Wir verliessen Tabriz zwei Stunden spaeter als Romulo, da Karin noch einige Zeit auf dem WC verbringen musste - unter dem Motto: Scheissgeschichten... So verloren wir Romulo aus den Augen. Nach Tabriz fuehrte die Strecke abermals aufwaerts. Wir durchfuhren schoenste Berglandschaft und waren gegen Abend auf 2100 Meter ueber Meer. Weitere Radlertage folgten auf Naechte am Bergsee, im ausgetrockneten Flussbett, versteckt hinter dem Bahndamm, bei der roten Halbmondstation oder in der Apfelplantage hinter der Polizeistation. In diesen Tagen dominierten karge Berge, durch die sich gruene Taeler zogen. Wir nannten die Berge Omeletten-Berge, sahen sie doch aus wie verschieden farbige, braune, rote, gelbe bis beige, aufgeschichtete Omeletten. Die Taeler werden bewaessert - ueberall pumpen die Bauern Wasser herauf und sammeln es in grossen Becken. Durch geschickt gezogene Graeben werden die Felder bewaessert. Als einige Maenner uns beim Mittagessen zu schauten und Sem daraus aufmerksam machten, dass sein T-Shirt doch ziemlich dreckig war, schwamm er doch tatsaechlich unter dem Beifall der Maenner in seinen Kleidern in einem solchen Sammelbecken und machte Hamam.

Eine Nacht spaeter trafen wir nach den ersten zehn Kilometern erneut auf Romulo. Einige Ortschaften weiter entdeckten uns Reporter von einer Zeitung. In einer Apotheke wurden wir interviewt und schafften es somit in eine iranische Zeitung. Der Menschenauflauf war mal wieder gewaltig. Ja, wenn wir irgendwo anhalten um zum Beispiel Tomaten zu kaufen, vergeht keine Zeit und schon stehen zehn oder zwanzig Menschen um uns herum und bestaunen uns und wollen uns irgendwie helfen (do you need help?). Natuerlich gibt es immer irgendeiner der sieben Woerter englisch spricht. Die Fragerei laeuft meistens aehnlich ab: 1. Frage: Where do you come from? Swiss (ah, Swiiisss) 2. Frage: Where do you go? Vietnam (erstauntes schauen und oooohhh-Rufe) 3. Frage: by bike? Yes, Swiss - dotscharche (Velo) -Iran - Turkmenistan -Vietnam 4. Frage: sister, brother? No, wife (zeigen auf den Ring) (ok) 5. Frage: gibt es oft dann nicht mehr, weil das englisch alle ist. Ab und zu kommt auch eine ganz schraege Frage: Do you eat? Logisch essen wir! Do you sleep? Jaaa. Motor, machine? Nein, dotscharche - machine here (deuten auf die Beine), Are you tourist? (No, we are travellers - was Verstaendnislosigkeit ausloest). Bei dieser ganzen Fragerei wird Karin selten bis nie angesprochen. Auch wenn wir irgendwo anhalten, scharren sich die Maenner um Sem herum – Karin scheint fuer sie nicht anwesend zu sein, was sie manchmal frustet und manchmal auch ganz froh darueber ist. Sobald Sem dann in einem Laden verschwindet, verstummt die Maennermasse. Nur ganz selten kommt es vor, dass irgendwo eine verhuellte Frau auftaucht und Karin anspricht oder dass sich einer der Maenner wagt, Karin etwas kleines zu fragen. Da spuert man extrem die Separierung der Geschlechter im Islam. So wird auch Karin nie die Hand gereicht zum Abschied, waehrend Sem auch nie die Hand von einer Frau gereicht wird. Ein kurzes Zunicken zwischen Mann und Frau ist gerade noch erlaubt. 
 
In Zanjan rasteten wir im Park, natuerlich waren wir nicht alleine. Es hatte sage und schreiben 63 Leute dort. Alles - ja, nur Maenner, wo verstecken sich denn auch die Frauen? Die Maenner hoecklen, schwatzen miteinander, schauen umher, trinken Tee, und machen  eigentlich gar nichts. Wir sagen dann immer, ah, sie warten bis die Frau zuhause gekocht hat... Ganz ehrlich, wir wissen nicht, was all diese Maenner, die wir im Iran gesehen haben und nur umher sitzen wirklich machen.

Arbeiten die auch mal etwas? Herausgefunden haben wir, dass viele Iraner nicht acht, sondern vielleicht nur vier Stunden am Tag "hart" arbeiten. So kann es gut sein, dass wir sie am Nachmittag beim Hoecklen erwischen. Was aber wirklich sein kann, ist dass sie tatsaechlich darauf warten, bis die Frauen zuhause gekocht haben und den Haushalt gemacht haben.... Denn oft wird, wenn Sem sich zum Abwaschen aufmachen will, auf Karin gedeutet und Sem verstaendlich gemacht, dass er hier bleiben soll, um zu hoecklen oder zu schlafen. Ja, Maennerleben im Iran muss toll sein!!!

Je naeher wir Tehran kamen, war die Landschaft nicht mehr so reizvoll. Es wurde staedtlicher und industrieller und so spulten wir die letzten 300 km moeglichst schnell ab. Leider hatten wir in diesen Tagen sehr viel Gegenwind.

vor dem Azadi-Monument in Tehran

 
In Qazvin nahmen wir uns ein Take-out, wir uebernachteten im Hotel (die vierte Hotelnacht seit unserer Abfahrt am 1. Mai) und schliefen bis mittags und machten den restlichen Tag sightseeing. Wir besichtigten vorallem Moscheen und Stadttore und fanden versteckt hinter einer Mauer sogar eine kleine, armenische Kirche. Wie heimisch fuehlten wir uns da.
 
Am 10. August nahmen wir die letzten Kilometer nach Tehran unter die Raeder. Laut Vorhersagen und Warnungen diverser Iraner und vorgaengigen Veloreisenden erwarteten wir chaotische Kilometer. So wurde uns zum Beispiel empfohlen am besten nachts zwischen zwei und vier in die Hauptstadt einzufahren. Wir koennen hier aber neues berichten. 30 Kilometer vor der Stadtgrenze befanden wir uns immer noch auf einer maessig befahrenen sechsspurrigen Strasse. Wir konnten nebeneinander pedalen und hatten ausreichend Platz. Auch als wir uns dem Zentrum naeherten fuehlten wir uns staendig sicher im Verkehr. Klar gab es diese verrueckten Autofahrer, die eine Ausfahrt verpassten und dann im Rueckwaertsgang die Strasse zurueck blochten. Da musste man halt ausweichen. Platz war aber genuegend vorhanden. An diesem Tag fuhren wir fruehmorgens in Karaj los und erreichten das Azadi Monument gegen Mittag. Bald darauf trafen wir am Enqelab Square unseren Gastgeber von Tehran. Kaum waren wir bei ihm und seiner Frau angekommen, ging es auch schon ab an eine ilegale Party...