|
|
Deutsch Berichte Vietnam |
|
Vietnam - 22. Dezember 2006 - 01. April 2007
|
Im Regenwald da regnet es... Vietnam, 7. März – 1. April 2007 Strecke: Hanoi – Cuc Phuong - Sam Son - Vinh - Dong Hoi – Vinh Moc – Hue – (Da Nang) - Hue – Dong Ha – Lao Bao | | Am kühlen Morgen des 7. März 2007 verabschiedeten wir uns endgültig von Hanoi. Ein allerletztes Mal assen wir „Früchte im Glas“ und pedalten raus aus dieser lauten Stadt. Wir brauchten Ruhe und Natur nach diesen Wochen in Hanoi und fuhren zum Cuc Phuong Nationalpark. Zum ersten Mal sollten wir Regenwald sehen und Sem meinte schon im voraus: „Im Regenwald, da regnet es!“ Wie wahr er hatte – es regnete als wir ankamen und es regnete als wir unsere ersten Schritte im Nationalpark machten. Doch es war wunderbar. Das dichte Blätterwerk liess kaum das feuchte Nass durch und wir spazierten auf einem !betonierten! (das ist halt so hier im Vietnam) Wanderweg durch uns unbekanntem Wald. Vorbei ging es an riesigen Farnen, bunt leuchtenden Blüten, Bananenstauden, tief hängenden Lianen und riesigen, tausendjährigen Bäumen. Untermalt war das ganze durch eine unglaubliche Geräuschkulisse. Vom einen Ast krächzte es, vom anderen gurrte es und von irgendwo ertönte ein jubillierendes Zwitschern. Doch Tiere waren sehr schwierig auszumachen, auch weil es da so bunt angezogene, in Absatzschuhen trippelnde Vietnamesen hatte, die laut kichernd und schwatzend durch den Wald spazierten. Schade, dass unser Regenwaldbesuch genau auf einen Sonntag fiel! | | | Doch wir wollten schon noch Tiere sehen, doch vorallem hörten wir sie zuerst. Wir erwachten bei Sonnenaufgang, als ein schrilles Kreischen das Morgengrauen durchbrach. Wir sassen auf und uns stockte der Atem – Menschen? Nein, Gibbons waren es, eine Affenart die im angrenzenden Aufzuchtprogramm lebt und die wir später noch besichtigen gingen. Von Cuc Phuong aus wählten wir kleine Strassen in Richtung Süden, denn der Verkehr auf der Nationalstrasse 1 raubte uns den ganzen Radlerspass. Das Gehupe der Lastwagen liess Karin sogar mit Ohropax Fahrrad fahren, wer hätte auch sowas gedacht. Auf den kleinen Strassen pedalten wir durch Dörfer und an endlosen Reisfelder vorbei. Bald war uns vertraut, was alles zu einem richtigen vietnamesischen Dorf gehörte: Da waren Häuser, teils eher hüttenmässig, aber auch grosse, neu erstellte, in die Höhe ragende Häuser mit schicken Türmchen, übergrossen Balkonen und feinen Schnörkeleien, in den Farben, als wähnte man sich in einer Zuckerbäckerei. Es hat in jedem Dorf auch mehrmals das Angebot sein Töff oder Velo putzen und reparieren zu lassen (Xe May, Xe dap – rua xe), eine Schneiderei, ein Lädeli oder auch drei, irgendwo eine Baustelle, Hühner, viele trächtige Hunde, Reis- und Nudelsuppenbeizlis und überall – auch wenn noch so klein das Dorf – einen Hochzeitskleiderladen! Wir staunten selber ab diesem Übermass an Hochzeitskleidern und fragten uns, ob wohl die Vietnamesen einfach gottlos romantisch seien. Aber es gibt ja auch entsprechend viele junge Menschen im Lande... | | ...Und Massen von ihnen belagerten uns täglich viermal. Das erste Mal verschliefen wir meistens, beim zweiten Mal waren wir hungrig, beim dritten Mal mit vollen Bäuchen unterwegs und beim vierten Mal schon fast auf Schlafplatzsuche. Wir waren schon so weit, dass wenn wir von weitem ein Schulhaus sahen, nach einem Umweg Ausschau zu halten. Doch oft gab es ihn nicht und wir mussten direkt rein in das Gewühl von unzähligen an- und abfahrenden Schülerinnen und Schülern, die uns sofort erspähten und uns zu begleiten begannen. Auf ihren quietschenden, rostigen, vollbesetzten Fahrrädern kamen sie in Massen und ein jeder versuchte sich in seinem besten Englisch. „Hello“ konnten alle, einige noch „what is your name“ und irgendwie fanden sie auch immer heraus, von wo wir sind und wohin wir unterwegs waren. | | | Es gab kein Entrinnen aus diesem Gewimmel von fünfzig oder gar hundert Schülerinnen und Schülern, vorallem da die Flucht nach vorne sofort als Fahrradwettrennen aufgenommen wird. | Eines Abends als es eindunkelte, befanden wir uns auf der Strasse in Richtung dem Strandort Sam Son. Aus unserer Karte entnahmen wir, dass es aber noch 15 km weit weg sei. So entschlossen wir uns einen Ort zum Campen zu suchen. Leider gab es aber nur nasse Reisfelder. Doch in einem Dorf entdeckten wir ein perfektes Stück Rasen in einem Schulgelände. Zuerst schien es die perfekte Lösung für diesen Abend zu sein. Die Schüler scharrten sich um uns, die Lehrer waren freundlich – bis auf einen. Dieser telefonierte verzweifelt und teilte uns mit, dass es für uns nicht sicher sei im Gelände zu campen. Er habe einen guten Ort für uns gefunden. Wir folgten ihm und der zur Hilfe geeilten Lehrerin, die übersetzte und landeten bei – der Autoritätsbehörde, na wunderbar! Der Chef erklärte sec, dass campen gegen das vietnamesische Gesetz verstosse und dass es ein Problem der Sicherheit sei. Falls irgendetwas mit uns passiere, sei das für die Beziehung unserer Länder gar nicht gut! Und dies, obwohl er sich noch gar nicht erkundigt hatte, aus welchem Land wir stammen. Wir müssten nach Sam Son in ein Hotel. Wir erwähnten noch, dass es doch schon dunkel sei und ziemlich gefährlich Fahrrad zu fahren. Aber dieses Argument kam nicht an in diesem Land, wo Fahrrad fahren in der Nacht und ohne Licht nicht als Sicherheitsrisiko gilt. Auch auf die angebotene Eskorte verzichteten wir liebend gerne und pedalten durch die Nacht nach Sam Son, wo wir eigentlich gar nie hin wollten. Und dann sogar gezwungenermassen mehrere Tage blieben. Tage später und 330 km südlicher zweigten wir rechts von der N1 ab, kurz nachdem wir die 500 Meter lange Brücke über den Gianh Fluss überquert hatten, um zu den Phong Nha Höhlen zu gelangen. Unser Reiseführer pries es an als DIE Sehenswürdigkeit im Vietnam und wir liessen uns verlocken, nahmen die 100 km Zusatzweg auf uns und bereuten es nicht. | | | Die Phong Nha Höhlen sind wirklich unbedingt sehenswert und nicht vergebens Weltnaturerbe der Unesco. Ein Boot brachte uns flussaufwärts zu der Höhle. Dort angekommen ging es erstmal über Treppen hoch und höher. Ganz oben bekamen wir Einlass in die Höhle. Toll beleuchtet ist sie und gross. So viele verschiedene, eindrückliche Gebilde aus Stalaktiten und Stalagmiten haben wir noch nie gesehen. Wir waren total fasziniert und begeistert. Einen zweiten Teil des grössten Höhlensystems der Welt, das gleichzeitig den längsten unterirdischen Fluss der Welt beherbergt, besucht man per Boot. Ohne Motor, ganz ruhig gleitete das Boot auf dem Wasser in die Höhle hinein. Dieser Teil ist sehr hoch und an zwei Orten durften wir aussteigen, um höher gelegene Nischen und Ecken zu entdecken. Wunderbar, was hier über Jahrtausende erstanden ist. | In der Höhle drinnen erstaunte es uns nicht, dass die Vietnamesen das verwinkelte Höhlensystem im Krieg gegen die Amerikaner nutzten. In der einen Ecke bunkerten sie Munition und in der anderen wurden Verletzte gepflegt. Wir selber entdeckten die Einschusslöcher der amerikanischen Angriffe aber nicht, die uns durch unser Reiseführer angekündigt wurde. | Die Vietnamesen wussten sich nicht nur in der Phong Nha Höhle zu verstecken. Wo es keine Höhlen gab, wurden welche angelegt. Ganze Dörfer wurden in Kriegszeiten in den Untergrund verlegt. Das im amerikanischen Krieg entstandene Tunnelsystem von Vinh Moc besuchten wir einige Tage später. Im 3,7 km, von Hand gegrabenen Tunnelsystem lebten bis zu 600 Menschen über 6 Jahre lang. Es wird einem schon ziemlich mulmig, wenn man durch die 1,6 m hohen Gänge geht und der Guide in eine kleine Nische zeigt, in der Kinder geboren wurden und in eine andere, in der eine ganze Familie gehaust hat. Keine der Nischen war grösser als unser Zelt. Wir erfuhren im dazugehörigen Museum, dass die Amerikaner zwar über die Existenz der Tunnel wussten, aber ihnen ihre Standorte nicht bekannt waren. Dieses kriegstechnische Problem wurde ganz einfach mit Flächenbombadierung gelöst. – Viele andere Tunnels im ganzen Land wurden dadurch zerstört, dieser in Vinh Moc nicht. | Der Vietnam Polizei gefiel am Abend des 24. März 07 unser Übernachtungsort nicht. Beim Restaurant in dem wir unser Nachtessen einnahmen, bot uns die junge Köchin an in ihrem „Mini-minihotel“ zu übernachten. Kurzerhand zeigte sie uns ihr Bett im hinteren Teil des Restaurants und wir handelten einen guten Preis aus. So früh hatten wir schon lange keinen Schlafplatz mehr. Wir erholten uns vom Pedalen und schmiedeten Pläne für die nächsten Tage. Doch Mini-minihotels sind nicht für Touristen. Die Polizei (zwei mit grünbrauner Uniform bekleidete, ältere Männer) vernahmen von unserem Hotelabkommen. Dank unserem Übersetzungsbüchlein brachten sie es auch fertig von uns unsere Pässe zu verlangen. Der wohl wichtigere und mehr nach Alkohol riechende durchforstete unseren Pass von hinten nach vorne und hielt ihn dabei verkehrt herum. Er wollte die Pässe mitnehmen – „nein, nein, die sind unser Eigentum!“ | | | So telefonierte er irgendwo hin, bekam wohl die Antwort uns aufzuschreiben, was dann die Frau vom Restaurant tat, denn für ihn waren die Zahlen zu klein. Dann kam aus, dass wir nicht bleiben durften. Wir müssten nach Dong Hoi oder nach Ho Xa – eigentlich egal wohin, einfach weg. Touristen müssen im Vietnam in ein rechtes Hotel! Der Superpolizist setzte noch Sems Helm verkehrt herum auf den Kopf und befand ihn für gut. Wir gaben ihm zum Abschied einen Flyer der HELMET= LIFE Kampagne und zogen ab. Ab in die Dunkelheit. Dort fanden wir zwar kein Hotel – jedoch liebe Menschen, die uns eine Ecke zum Schlafen gaben. | Am 17. Breitengrad überquerten wir, ganz vorne am Meer, den Dong Ben Hai Fluss auf einer nigelnagelneuen Brücke. Dieser Fluss bildete Jahre lang die Grenze zwischen dem ehemaligen Nord- und Südvietnam. Denn das Gebiet um den 17. Breitengrad wurde 1954 in Genf als entmilitarisierte Zone (DMZ) festgelgt. Im amerikanischen Krieg, der elf Jahre später so richtig begann, war gerade dieses Gebiet eines der am härtesten umkämpften. | | | Von dieser Brücke aus pedalten wir weiter südwärts. Immer auf der Strasse am nächsten am Meer entlang. Teils fuhren wir auf Sandpiste, Teer- oder Betonstrasse. Bei den Flüssen fehlte die Brücke meistens. Das Strässchen fällt dann immer ganz steil ins Flussbett runter, um nach einigen Metern ebenso steil wieder aus dem frischen Nass aufzutauchen. Beim etwas grösseren Fluss Cua Viet funktioniert dies jedoch nicht. Dort musste schon der Fährimann helfen. Die Strasse verlor sich nämlich einfach im sandigen Ufer des Flusses. Es klappte aber wunderbar auf dem kleinen Boot den Fluss zu queren. Auf der grossen N1 wären wir sicher schneller gewesen, doch auch mit unserer Routenwahl erreichten wir drei Tage später die alte Kaiserstadt Hue. | Wie geplant gingen wir am nächsten Morgen sofort zur immigration police, um unser Vietnamvisum erneut zu verlängern. Dies sei kein Problem, hatte uns der Mann von dem immigration office in Vinh erklärt. Diese Meinung teilte aber der Polizist, bei dem wir da nun standen, nicht. Er erklärte uns, dass eine solche Verlängerung nur in Hanoi, Danang oder Ho Chi Minh gemacht werden kann. Darauf setzte sich Sem kurzerhand in den Touribus nach Danang, das glücklicherweise nur 106 km weit weg war, denn schliesslich lief unser Vietnamvisum drei Tage später, am 1. April 07, ab. Doch auch 106 km weiter wollte die immigration police unser Visum nicht verlängern. Erstens hätten wir ein Arbeitsvisum, zweitens hätten wir es schon einmal verlängert und drittens kann man im Vietnam nur über Reisebüros sein Visum verlängern lassen. Der Typ vom Reisebüro wollte uns aber nur helfen gegen viel Geld und mit einer Wartezeit von 14 Tagen. Zahlen hätten wir zwar sofort müssen, aber ob die Verlängerung klappen würde, konnte er nicht garantieren. Tja, so fassten wir einen Schnellentschluss. Sem organisierte in Danang auf dem laotischen Konsulat zwei Laos-Visas und Karin packte in Hue sofort die Fahrräder. Wir verliessen am nächsten Morgen Hue, ohne dass wir irgendetwas von der Stadt gesehen hatten, um innerhalb der nächsten zwei Tage an der vietnamesisch/laotischen Grenze zu stehen. |
|
|
|
|
|
|
|
|